Was kommt nach der Karriereleiter? Darum geht es in unserer aktuellen Ausgabe!

Eine Person sitzt mit Stift im Mund und Hörer in der Hand an einem überladenen Schreibtisch. Sie sieht verunsichert aus.
Case Study

Wie Verwaltungen konstruktiv mit Angst vor Veränderungen umgehen

Die öffentliche Verwaltung zieht sicherheitsorientierte Menschen an – die häufig skeptisch auf Veränderungen reagieren. Dennoch dürfen Projektleiter*innen diese Ängste und Sorgen nicht kleinreden. Drei Beispiele zeigen, wie sie ihnen den nötigen Raum geben.

Während unser Alltag immer digitaler wird, ist die öffentliche Verwaltung in Deutschland irgendwo in den 1980er-Jahren zwischen Faxgerät und Tintenstrahldrucker steckengeblieben. Papierformulare und Präsenzpflicht im Bürgeramt lassen Menschen an der Leistungsfähigkeit der Verwaltung oder gleich dem Rechtsstaat im Allgemeinen zweifeln.1 Und auch wenn Politiker*innen seit Langem versprechen, das Thema endlich anzugehen, geht es bestenfalls schleppend voran.

Was ist da los? Warum schafft die Verwaltung nicht den Sprung in das digitale Zeitalter? Dass es an IT-Programmen und Dateninfrastrukturen fehlt, ist nur ein Teil des Problems. Oft krankt der Wandel an etwas ganz anderem: Es fehlt an einem proaktiven Umgang mit negativen Gefühlen wie Angst oder Vorstufen von Angst wie Unsicherheit in Transformationsprozessen.

Wie Angst den Wandel ausbremst

Wie sich Angst vor Veränderung auf ein öffentliches Transformationsprojekt auswirken kann, lässt sich gut an der Einführung der E-Akte in der Landesverwaltung Sachsen verdeutlichen. Die elektronische Akte ist eine Basiskomponente der Verwaltungsdigitalisierung, quasi das Dokumentenmanagementsystem der Verwaltung von morgen. Braucht ein*e Verwaltungsmitarbeiter*in Informationen zu einem Vorgang, muss er*sie künftig nicht mehr zur Papierakte greifen, sondern findet alle Informationen digital – und kann sogar aus dem Homeoffice darauf zugreifen. Kein Ausdrucken, Faxen, Abtippen mehr, keine Ordner, die über lange Verwaltungsflure geschleppt werden müssen. Das spart Zeit und Nerven und muss im Interesse aller Verwaltungsmitarbeiter*innen sein. Könnte man denken!

Doch in der Landesverwaltung Sachsen war die Einführung der E-Akte nicht von positiven Emotionen begleitet, sondern – ganz im Gegenteil – von negativen. So beklagten Beteiligte im Nachgang im Rahmen einer Umfrage, dass Projektbeteiligte motivationslos waren, Gerüchte streuten oder Schulungen torpedierten – und so die Einführung der E-Akte verzögerten. Eine Ursache für dieses projektschädigende Verhalten war, dass die Einführung der Akte bei Mitarbeitenden Angst vor zunehmendem Druck auslöste. Überwachung und Leistungskontrolle könnten zu Versagen, Fehlern und „Gesichtsverlust” führen, so die Befürchtung.

Die Studie Angst im Wandel gibt Hinweise darauf, was in Sachsen das Problem gewesen sein könnte: Insbesondere der Umgang mit Angst vor und durch Veränderung ist in der öffentlichen Verwaltung problematisch. So würde Angst aktiv ignoriert und bewusst unter den Teppich gekehrt. Oder Ängste würden nur in einem ausgewählten Kreis thematisiert, z.B. in einer vertraulichen Runde unter Führungskräften. Dabei habe in der Verwaltung kaum jemand Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Stattdessen handele es sich häufig „um Vorläufer von Angst, wie Sorgen und Unsicherheiten, die dann zu Widerständen führten”.

Insbesondere der Umgang mit Angst vor und durch Veränderung ist in der öffentlichen Verwaltung problematisch.

Die Verwaltung in der Panikzone

Dass Veränderungen Verunsicherung oder Angst auslösen, ist menschlich. Sie stellen Sicherheit, Gewohnheit, Selbstbild und soziale Strukturen infrage. Kommt die Veränderung von außen – zum Beispiel in Form gesetzlicher Vorgaben –, habe ich als Mitarbeiter*in keine Kontrolle über die Entscheidung und muss unter Umständen aus meiner Komfortzone raus. Ich muss mich mit neuen Arbeitsweisen und Technologien beschäftigen, eingeübte Formen der sozialen Interaktion verändern, meine bisherige Erfahrung und mein Wissen verlieren an Wert.

An dieser Stelle können nun zwei Dinge passieren. Fühle ich mich den Herausforderungen grundsätzlich gewachsen und bin ich bereit zu lernen, entwickle ich mich mit der Herausforderung weiter (Lernzone). Überwiegt die Sorge, dass meine Ressourcen nicht ausreichen, um die Veränderung zu meistern, dominiert das Gefühl von Angst. Ich gerate in die Panikzone. Strategisches oder kreatives Denken sind hier nicht möglich. Stattdessen reagiere ich mit Kampf, Flucht oder Lähmung, zum Beispiel mit Trotzreaktionen, einem reduzierten Engagement oder Reaktionsverweigerung.

Eine riesige, imaginäre Hand pikt einer Frau in den Rücken, die einen Stapel Bücher trägt. Ihr Gesichtsausdruck ist ängstlich.

Fehlervermeidung statt Lernkultur

Veränderungen im Job und damit verbundene Herausforderungen und Ängste sind etwas, dem sich auch Mitarbeitende in Unternehmen oder NGOs stellen müssen – und dennoch geht die Veränderung hier deutlich schneller vonstatten. In der öffentlichen Verwaltung in Deutschland kommen jedoch einige Faktoren hinzu, die einen für Transformation und Innovation ungünstigen Nährboden schaffen.

Die öffentliche Verwaltung zieht mit ihren sicheren Arbeitsplätzen und festen Routinen tendenziell risikoaverse Menschen an.
Der Anteil von Mitarbeitenden mit juristischer Ausbildung ist im internationalen Vergleich besonders hoch – Jurist*innen sind eher auf das Vermeiden von Risiken als auf das Ergreifen von Chancen fokussiert.
Die deutsche Verwaltung ist im internationalen Vergleich besonders undurchlässig, Wechsel aus anderen Sektoren wie der Privatwirtschaft sind selten. Stattdessen arbeiten sich Verwaltungsmitarbeitende im Laufbahnsystem stufenweise die Hierarchie hoch. Das führt dazu, dass vielen für Innovation und Transformation notwendige Perspektiven fehlen.
Führen wird in der Verwaltung oft noch sehr traditionell interpretiert, Vorgesetzte geben Anweisungen und erwarten ihre Umsetzung – ohne Widerspruch oder Kritik.

Das ist kein Setting für eine positive Fehler- und Lernkultur. Laut dem DGB-Index Gute Arbeit haben 38 Prozent der befragten Arbeitnehmer*innen in der Verwaltung nicht das Gefühl, Probleme mit ihrer*ihrem Vorgesetzten offen besprechen zu können. Auch ist es in der Verwaltung karriereschädlicher, einen Fehler zu machen, als eine gute Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass öffentliche Verwaltungen in der Regel einer politisch gewählten Leitung, einer Ministerin oder einem Oberbürgermeister beispielsweise unterstellt sind – Menschen mit (partei)politischen Interessen also, die wiedergewählt werden wollen und deren Fehler von politischen Gegner*innen genutzt werden können. Der toxische Umgang mit Fehlern in Politik und Medien erzeugt einen Druck, der im hierarchischen Verwaltungssystem von oben nach unten durchgegeben wird.

Die öffentliche Verwaltung zieht mit ihren sicheren Arbeitsplätzen und festen Routinen tendenziell risikoaverse Menschen an.

Wie Vorreiter*innen Raum für Emotionen schaffen

Obwohl die Arbeitsplatzsicherheit in der Verwaltung hoch ist, leiden viele Beschäftigte und Führungskräfte unter Angst, die zu Widerständen gegen Veränderung führt. Auch wenn immer mehr Menschen in der Verwaltung für das Problem sensibilisiert sind, fehlt es an guten Beispielen dafür, wie das Thema Angst in Transformationsprozessen systematisch adressiert werden kann. Doch einige Verwaltungen haben erste Ansätze und Methoden gefunden, um negativen Emotionen den Raum zu geben, den sie bislang im traditionell-hierarchischen Verwaltungsaufbau nicht finden. Frei nach dem Motto: Alles, was ist, darf auch sein.
Sorgenzirkus in Schorndorf
Philipp Stolz, Stabsstellenleiter Digitalisierung der baden-württembergischen Stadt Schorndorf, arbeitet beispielsweise mit einer Methode namens Zirkus der Sorgen.

Ein Mensch steht auf einem Kartenhaus aus Akten und hält eine Siegesfahne aus einem Bleistift.

Der Zirkus der Sorgen

Die Methode Zirkus der Sorgen dient dazu, in Gruppen die größten Sorgen, Ängste und Bedenken sichtbar zu machen und gemeinsam zu priorisieren. Sie eignet sich besonders, wenn Projekte ins Stocken geraten sind oder Unsicherheiten im Team herrschen.

Ziel

Sorgen und Ängste im Team offenlegen, um sie gemeinsam zu reflektieren und konstruktiv anzugehen.

Ablauf

  • Einladung an alle am Projekt beteiligten Personen formulieren: „Was bereitet dir aktuell in diesem Projekt die größte Sorge?“ Alle Teilnehmer*innen sollten sich emotional sicher fühlen, daher kann es sinnvoll sein, Hierarchiestufen nicht zu mischen.
  • Individuelles Schreiben: Jede*r Teilnehmer*in notiert anonym eine Sorge auf eine Karte.
  • Bewertung in Runden: Die Karten werden in mehreren Durchgängen zufällig weitergegeben und jeweils auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet.
  • Auswertung: Die Karten mit den höchsten Gesamtwerten werden gesammelt und im Plenum besprochen.

Besonderheiten

  • Anonymität: Fördert Offenheit und Ehrlichkeit
    Partizipation: Alle Stimmen werden gleichwertig gehört.
  • Fokus auf Emotionen: Nicht Lösungen, sondern das Verständnis für Ängste steht im Vordergrund.

Weitere Informationen und eine detaillierte Anleitung findest du auf der Seite von Liberating Structures.

Zirkus der Sorgen

Da Verwaltungsangebote zunehmend digital verfügbar sind, wurde in Schorndorf über die Zukunft der Stadtteil-Rathäuser diskutiert. Auch deren Schließung wurde thematisiert. Mitarbeiter*innen fürchteten um ihren Job, dass ihre Qualifikationen nicht mehr gebraucht würden oder darum, dass im Falle einer Schließung ältere Menschen den Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen verlieren könnten. Stolz berichtet: „Die Diskussion mit den Mitarbeitenden um die Stadtteil-Rathäuser war natürlich auch emotional. Unser Eindruck war, dass wir auf der Sachebene nicht alle relevanten Aspekte aufnehmen konnten. Mit dem Zirkus der Sorgen haben wir dann einen Raum für emotionalere Themen geöffnet.” Allein den Emotionen Platz einzuräumen, habe die Diskussion konstruktiver und pragmatischer werden lassen, so Stolz.

Im nächsten Schritt besprach das Projektteam die geäußerten Ängste und Sorgen intern und ging mit den lokalen Mitarbeitenden direkt in den Austausch. Auch der Bürgermeister wurde involviert und sprach sich auch aufgrund der geäußerten Sorgen klar für den Erhalt der Stadtteil-Rathäuser aus. Dieses Gesehenwerden und die damit verbundene Wertschätzung sei für den weiteren Prozess sehr wichtig gewesen, ist Stolz überzeugt.
Aktuell erarbeitet Stolz gemeinsam mit dem Projektteam und den Mitarbeitenden vor Ort Lösungen, die die Ängste und Sorgen berücksichtigen. Hilfreich für den gesamten Prozess sei der von der Stadtverwaltung partizipativ entwickelte Wertekompass gewesen, der Vertrauen als Grundwert etabliert habe. „Die Botschaft der Verwaltungsleitung ist ganz klar: Packt es an, Fehler können passieren.”

Fehler-Brez’n in München

Auch die Stadtverwaltung München bemüht sich darum, Angst vor Fehlern ernst zu nehmen. Alexander Bierl leitet in München den Bereich Organisation & Transformation mit rund 100 Mitarbeitenden. Der Auftrag: New Work in die Verwaltung bringen. Das Team hat bereits ein New-Work-Handbuch geschrieben und eine interne New-Work-Coaching-Ausbildung entwickelt. Dabei testet Bierl alle Methoden erst einmal in seiner eigenen Einheit, bevor er sie der Gesamtverwaltung empfiehlt und implementiert. Eine Methode, die diesen Test bestanden hat, sind die sogenannten Fehler-Brez’n, im Grunde eine Variante der im New-Work-Kontext verbreiteten Fuckup-Nights. Ziel ist es, Fehler zu enttabuisieren und eine Lernkultur zu etablieren. Bierl: „Die Fehler-Brez‘n sind eine wirklich einfache Methode. Wir nehmen uns 1,5 Stunden Zeit und es gibt Butterbrezen. Wer will, berichtet dann von seinen Fehlern. Beim ersten Mal sind die Führungskräfte in Vorleistung gegangen und haben von ihren eigenen Fehlern erzählt. Das senkt die Hemmschwelle.”
Spannend fand Bierl, dass es viel Diskussion um die Frage gab, was überhaupt ein Fehler sei. So habe ein Kollege berichtet, dass er großen Ärger bekommen habe, weil er jemandem aus dem Verwaltungsvorstand einen Termin in den Kalender gesetzt habe. „Was ist jetzt der Fehler? Den Termin einzutragen oder vielleicht doch eher, daraus ein Problem zu machen?” Auch Bierl selbst als Führungskraft habe hilfreiche Hinweise im Rahmen der Fehler-Brez‘n bekommen. „Zum Beispiel schreibe ich manchmal am Wochenende E-Mails. Bei den Fehler-Brez'n habe ich die Rückmeldung bekommen, dass die Mitarbeitenden denken, dass sie dann auch am Wochenende reagieren müssen. So kam ein Thema, das mehrere Mitarbeitende von mir als Führungskraft völlig unbeabsichtigt belastet hat, auf den Tisch. Das hat mir den Raum gegeben klarzustellen: Am Wochenende nicht zu antworten, ist absolut kein Fehler.” Die Fehler-Brez‘n nehmen damit Fehlern ihren Schrecken. Denn einerseits entpuppt sich so manch ein „Fehler” als gar nicht falsch. Und indem andererseits Führungskräfte ihre eigenen Fehler thematisieren, lernen Mitarbeitende, dass Fehler auch in der Verwaltung schlicht dazu gehören – insbesondere in Transformationsprozessen. Verunsicherung und Angst wird so der Nährboden entzogen.

Fehler-Brez’n

Fehler-Brez’n

Nutzen und Vorteile:
Die Methode ist angelehnt an die bekanntere Fuckup Night. Sie schafft einen ungezwungenen Rahmen, um miteinander in den Austausch über Fehler zu kommen. Sie unterstützt euer Team dabei:

  • Fehler offen zu kommunizieren
  • gemeinsam aus Fehlern zu lernen
  • eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu stärken

Vorbereitung und Ablauf:
Die Fehler-Brez’n funktionieren im Team oder der gesamten Abteilung. Je mehr Kolleg*innen und Führungskräfte teilnehmen, desto wirkungsvoller. In lockerer Atmosphäre stellen sie ihre Fehler vor und besprechen sie.
Im Vorfeld sollten sich eine oder mehrere Personen finden, die das Event organisieren. Das Organisationsteam hat folgende Aufgaben:

  • Teilnehmende fragen, wer einen Fehler vorstellen möchte
  • Brez’n für den Termin besorgen
  • (ggf.) stichpunktartige Dokumentation des Termins

Ablauf des Treffens:

  • Ein Treffen dauert etwa 60 bis 90 Minuten. Um die Fehlerkultur nachhaltig zu stärken, sollte es in regelmäßigen Abständen (z.B. einmal pro Quartal) durchgeführt werden.
  • Die verschiedenen Fehler werden (in Kleingruppen oder in der großen Gruppe) nacheinander vorgestellt.
  • Je Fehler schließt sich eine Frage- und Antwortsession an. Ziel dabei ist, Verbesserungspotenziale an Prozessen zu erkennen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die für alle Kolleg*innen wichtig und wertvoll sein können (max. 10 Minuten pro Fehler).

Tipps:

  • Bei der Umsetzung kommt den Führungskräften eine Vorbildfunktion zu. Vor allem am Anfang ist es hilfreich, wenn die Führungskräfte den ersten Fehler kommunizieren – das schafft Vertrauen und bestärkt Mitarbeitende, ihre Fehler zu teilen.
  • Die Durchführung in einem Raum mit Stehtischen o.Ä. schafft einen lockeren Rahmen.
  • Die Fehler Brez’n lassen sich gut mit einem anschließenden After-Work-Event kombinieren.

Quelle: Landeshauptstadt München

Zukunftstag in Paderborn

Der Kreis Paderborn wiederum hat einen ganz eigenen Weg gefunden, sich großen Themen zu nähern und dabei auch Ängsten einen Raum zu geben. In der Kreisverwaltung findet seit 2021 jährlich der Zukunftstag statt. Ziel ist, disruptiven Themen mit einem großen Konfliktpotenzial Raum zu geben. Die Themen reichen von New Work (2021) und Digitalisierung (2022) über lebenslanges Lernen (2024) bis gesundes Führen und Gesundheitsmanagement (2025).

Auf dem Zukunftstag diskutieren über 120 Amts- und Sachgebietsleiter*innen über die Auswirkungen dieser Themen auf die Arbeit der Stadtverwaltung und vereinbaren konkrete Schritte. Emotionen wie Angst finden beim Zukunftstag einen ganz eigenen Raum: Externe Redner*innen berichten von Erfahrungen aus ihren Lebensbereichen – Impulse, die dann in einer moderierten Podiumsdiskussion auf das aktuelle Transformationsvorhaben übertragen werden.

Im Jahr 2024 beispielsweise wollte die Paderborner Verwaltung die üblichen Leistungsbewertungen abschaffen und stattdessen bei vakanten Stellen mit Kompetenzprofilen arbeiten. Eine kleine Revolution, denn die Beförderung nach dem „Ich bin doch dran”-Prinzip ist in der Verwaltung sehr üblich, aber für Themen wie Verwaltungsmodernisierung und Transformation wenig hilfreich. „Ein hoch emotionales Thema”, sagt Thomas Wassong, damaliger Leiter des Amts für Verwaltungsdigitalisierung. „Es geht um die eigene Karriere, aber auch um mein Verständnis von meiner Arbeit als Führungskraft. Bei Menschen, die in der Verwaltung sozialisiert sind, erzeugt so ein Change definitiv Ängste und oft auch Widerstand. Es war wichtig, die Führungskräfte auch auf einer emotionalen Ebene abzuholen.”

Wassong lud daher im Rahmen des Zukunftstages drei Vortragende aus ganz anderen Kontexten ein: ein Extrembergsteiger erzählte, wie er lebenslang neue Techniken erlernt und trainiert, ein Hirnforscher ordnete die Themen Lernen und Weiterentwicklung psychologisch ein und eine Führungskraft von Continental berichtete von Anforderungen an Mitarbeitende im Bereich des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung in der Privatwirtschaft.

Erfolgsentscheidend war aus Wassongs Sicht, dass die Vorträge und Vortragenden so unterschiedlich gewesen seien, dass für jeden Typ etwas dabei war. Ihn persönlich habe besonders der Vortrag des Extrembergsteigers emotional gepackt. Denn in den Bergen sterbe, wer nicht bereit sei, sich ständig weiterzuentwickeln. „So schlimm ist es in der Verwaltung zum Glück nicht, aber mich hat der Vortrag motiviert, über meine persönliche Komfortzone nachzudenken.”
Für Wassong war der Zukunftstag zum Thema Lebenslanges Lernen ein voller Erfolg: „Nach dem Zukunftstag sind wir beim Thema Kompetenzprofile aus der Konzept- in die Pilotierungsphase gegangen.” Wassong ist überzeugt: Der Zukunftstag hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Führungskräfte den Wandel überwiegend konstruktiv mitgestalten und in die Umsetzung bringen.”

Ein Mann hackt in die Tasten seines Laptops. Um ihn herum scheint sein Büro zum Leben zu erwachen: Die Zimmerpflanze zeigt Gesichter und sogar der Sitzsack zieht eine Grimasse

Es muss weitergehen

Denkt man das Projekt Kompetenzprofile im Kreis Paderborn weiter, könnte es ein Ansatz sein, um bei einem weiteren wichtigen Thema weiterzukommen: Wie bekommen wir zukünftig einen anderen Schlag Mensch in die Verwaltung? Menschen, die in anderen Kontexten sozialisiert wurden, mit diversen Hintergründen – demografisch wie auch fachlich. Menschen, die Veränderungen grundsätzlich erst einmal offen gegenüberstehen und schneller in die Lernzone kommen. Die öffentliche Verwaltung bietet mit ihrer Gemeinwohlorientierung gerade für Menschen mit starker Purpose-Orientierung eigentlich den perfekten Arbeitsort. Gelingt es ihr, den Einstieg und die Karriere für Quereinsteiger*innen einfacher zu machen, wird es mit der Digitalisierung und Staatsmodernisierung auch schneller vorangehen.

Die öffentliche Verwaltung bietet mit ihrer Gemeinwohlorientierung gerade für Menschen mit starker Purpose-Orientierung eigentlich den perfekten Arbeitsort.

Takeaways

  • Veränderungen lösen bei allen Menschen Ängste aus, doch in deutschen Verwaltungen wird besonders schlecht mit negativen Emotionen umgegangen. Dies liegt an einer mangelhaften Durchlässigkeit der Verwaltung, einem historisch gewachsenen Führungsverständnis und einer unzureichenden Fehler- und Lernkultur.
  • Das Problem ist inzwischen durchaus erkannt, ganzheitliche Best Practices gibt es allerdings nicht. Was sich durchaus finden lässt: Verwaltungen, die innovative Methoden nutzen, um Raum für Emotionen zu schaffen.
  • Damit die Verwaltung zukunftsfest bleibt, muss sie ihre Türen für Quereinsteiger*innen öffnen. Für Menschen mit Purpose-Orientierung ist die Verwaltung mit ihrer Gemeinwohlorientierung der perfekte Arbeitsort.

FUßNOTEN

  • 1

    vgl. NN, Ausgabe 1/2025

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