Was kommt nach der Karriereleiter? Unsere neue Ausgabe ist da!

Eine weiblich gelesene Person steht in der Mitte und ist in zwei Hälften geteilt: die Linke Person arbeitet am Schreibtisch und schaut besorgt auf die Uhr. Die rechte Person hält einen Einkaufsbeutel in der Hand und steht vor einem vollen Wäschekorb.
Guide

So unterstützt ihr eine gerechte Aufteilung von Sorgearbeit

Frauen nehmen länger Elternzeit, bleiben häufiger zu Hause, wenn die Kinder krank sind, oder gehen in Teilzeit, um den Haushalt zu schmeißen. Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bekämpfen – und ihre Mitarbeiter*innen grundsätzlich in der Sorgearbeit unterstützen.

Menschen mit Sorgeverantwortung haben praktisch nie Feierabend. Nachdem sie die Erwerbsarbeit erledigt haben, betreuen sie Kinder, Partner*innen, Eltern oder Freund*innen. Eltern von Kleinkindern sind besonders belastet: Sie arbeiten mehr als 60 Stunden in der Woche, wenn man Erwerbsarbeit und Sorgearbeit zusammenzählt. Genau genommen arbeiten Eltern rund um die Uhr – der Job ist wie eine 24/7-Rufbereitschaft. Besonders Mütter minderjähriger Kinder können sich von der Belastung nicht ausreichend erholen, da der größte Teil der Fürsorge für Haushalt und Kinder in heterosexuellen Paarbeziehungen immer noch bei ihnen liegt. Darin liegen gleich zwei Probleme:

  • Die zeitliche Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit, Sorgearbeit und Selbstfürsorge verhindert die körperlich-seelische Regeneration von Menschen mit Sorgeverantwortung.
  • Diese Unvereinbarkeit gilt stärker für Frauen und stellt einen Faktor von Ungleichheit dar.

Die Gender-Care-Gap gibt den Unterschied der geleisteten unbezahlten Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen an. Aktuell beträgt sie 44,3 Prozent in Haushalten heterosexueller Paare.1 Männer beantragten im Jahr 2022 durchschnittlich nur 3,6 Monate Elternzeit, bei Müttern waren es 14,6 Monate. Und 60 Prozent der Väter nehmen immer noch gar keine Elternzeit. Das hat Konsequenzen für die spätere Arbeitsteilung: Frauen erwerben in dieser Zeit Kompetenzen, die den Vätern häufig fehlen. Und dann heißt es: „Das kann nur die Mama.“ Auch die Teilzeitquote betrug 2023 nur 13,3 Prozent bei Männern, bei Frauen dagegen 49,9 Prozent. Da Männer noch immer mehr verdienen, entscheiden sich viele Familien dafür, dass die Frau beruflich zurücktritt und der Mann als Hauptverdiener arbeitet. Männer haben Angst vor einem Karriereknick oder sogar Kündigung sowie finanziellen Verlusten, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren.

Was ist Care-Arbeit?

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Dabei verlieren viele Mütter nach der Elternzeit tatsächlich ihren Job. Außerdem herrscht nach wie vor die Vorstellung, dass Frauen mehr Sorgearbeit machen sollen oder wollen. Die Volkswirtin Jo Lücke erklärt, dass Mütter in dem Dilemma stecken, dass sie entweder eine gute Arbeitskraft sein können und dafür die Sorgearbeit vernachlässigen, oder eine gute Mutter mit schlechten Karrierechancen. Aufgrund ihrer Sozialisierung und gesellschaftlicher Erwartungen räumen sie Sorgearbeit einen höheren moralischen Wert ein und treten von der Erwerbsarbeit zurück. Und das, obwohl sie dadurch gesellschaftlichen Status verlieren, Einkommen einbüßen und sogar – besonders perfide – beschämt werden, wenn sie sich zu viel um ihre Kinder kümmern. Die widersprüchlichen gesellschaftlichen Erwartungen, selbstbestimmt zu sein, durch vermeintlich „echte Arbeit“ etwas zur gesamtgesellschaftlichen Produktivität beizutragen und auf der anderen Seite bestmöglich für die Kinder Sorge zu tragen, führen dazu, dass sie es niemandem recht machen können – das allein kann eine erhebliche mentale Belastung darstellen.

Aus der Kombination von geringerer Bezahlung und weniger Arbeitszeit resultiert die sogenannte Gender-Lifetime-Earnings-Gap von aktuell 45 Prozent in Westdeutschland und 40 Prozent in Ostdeutschland: Frauen verdienen in ihrem Leben insgesamt also nur etwas mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens von Männern. Frauen sind daher häufiger von Armut und Altersarmut betroffen. Um das zu ändern, muss die Sorgearbeit gleicher verteilt werden. Sie muss aufgewertet beziehungsweise als Arbeit anerkannt werden, damit Männer bereit sind, ihren Anteil zu übernehmen.

Was ist die Gender-Pay-Gap?

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Sorgearbeit ist Arbeit

Eltern, die sich über die Doppelbelastung beschweren, wird häufig entgegnet: „Du wolltest doch Kinder.“ Dabei ist Sorgearbeit ein fundamentales Element unserer Gesellschaft – sie ist einer der wichtigsten Faktoren, damit wir Menschen uns wohlfühlen. Ohne sie würde es uns emotional schlecht gehen, Kinder und pflegebedürftige Menschen würden ohne sie nicht überleben und unsere Gesellschaft würde eingehen. Und es handelt sich um echte Arbeit: In anderen Kontexten bezahlen wir Menschen schließlich dafür, zu putzen oder Menschen zu betreuen und zu pflegen. Das Problem sind fehlende Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote. Erwerbsarbeit besitzt bei uns einen höheren gesellschaftlichen Wert als Sorgearbeit. Ein altes Narrativ ist, dass Care-Aufgaben Privatsache seien. Deshalb wird von Eltern erwartet, dass sie genauso viel leisten wie Menschen ohne Care-Verantwortung. Wenn Frauen Karriere, Haushalt und Kinder unter einen Hut bringen wollen, müssen sie eben tougher sein. Für Männer gelten allerdings andere Maßstäbe.

Noch immer gibt es große Lücken bei der Unterstützung von Menschen mit Sorgeverantwortung: Ein Gesetz zum garantierten Wiedereinstieg nach der Elternzeit fehlt, denn der Kündigungsschutz während der Elternzeit endet danach. Im Wochenbett besteht kein Recht auf Pflege durch Partner*innen, die wiederum selbst die schlaflosen Nächte neben ihrem Vollzeitjob verkraften müssen.

Die EU-Richtlinie zur europäischen „Familienstart“-Zeit, die auch dem nicht-gebärenden Elternteil nach der Geburt zwei Wochen Sonderurlaub einräumt, hat die Ampelkoalition 2021 in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, aber bisher noch nicht umgesetzt, weshalb ein Vater jetzt auf Schadensersatz klagt. Das Bündnis Sorgearbeit – fair teilen fordert sogar die Einführung einer Lohnersatzleistung für Pflegephasen. Dies soll auch ein Anreiz für Männer sein, mehr Pflegeverantwortung zu übernehmen. Doch unabhängig davon, wie die Politik Sorgearbeit unterstützt, könnt ihr auch als Organisation Verantwortung dafür übernehmen.

Was macht Familienfreundlichkeit in einem Unternehmen aus?

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Helene unterstützt und begleitet seit über einem Jahr ihre Mutter, die schwer an Krebs erkrankt ist.

„Als meine Mutter letztes Jahr die Prognose bekam, dass sie aufgrund ihrer Krebserkrankung nur noch ein Jahr zu leben hätte, bin ich zunächst regelmäßig zwischen meiner alten Heimat und meinem Wohnort gependelt, um bei ihr zu sein. Da sie acht Stunden Fahrt entfernt wohnt, bin ich inzwischen sogar in ihre Nähe gezogen. Eine große Herausforderung war, meine Professionalität im Job zu bewahren, überhaupt leistungsfähig zu bleiben und meine starken Emotionen zu regulieren, zumal ich noch in der Probezeit war.

Die Einjahresprognose ist aktuell vom Tisch, doch es ist absolut nicht klar, wie sich ihr Zustand entwickelt. Ich habe Schlafstörungen und regelmäßig das Gefühl, nicht genug für sie da zu sein, meine Arbeit zu hoch zu priorisieren, und auch immer wieder ein schlechtes Gewissen, „mein Leben“ zu leben, zu reisen, Spaß zu haben. Ich bin extrem dankbar für die Unterstützung und das Verständnis meiner Kolleg*innen. Ich habe die Flexibilität und die Freiheit, die Arbeit an mein Leben anzupassen und nicht umgekehrt; das wünsche ich mir für alle, die in einer ähnlichen Situation sind.“

Zwei Personen halten sich leicht im Arm. Links steht eine alte Frau in blauem Kleid, die sich auf ihren Arm legt. Sie hält sich am Arm der anderen Frau fest, Die rechte Frau liegt mit ihrem Kopf auf dem Kopf der alten Frau.

Patricia arbeitet in Vollzeit, ist alleinerziehend und übernimmt fast 100 Prozent der Care-Arbeit. Der Vater ihrer fünfjährigen Tochter holt diese zweimal wöchentlich von der Kita ab und betreut sie für 2,5 Stunden, damit Patricia länger arbeiten kann.

„Ich mache mir Sorgen, nicht so viel leisten zu können wie kinderlose Kolleg*innen. Wenn ich an meinen kurzen Tagen um 16 oder 17 Uhr los muss, ist wirklich Schluss und ich kann nicht noch mal schnell Mails beantworten. Gleichzeitig fürchte ich, meinem Kind nicht gerecht zu werden, da ich auch nach Feierabend häufig mit dem Kopf noch bei der Arbeit bin. Manchmal fällt es mir schwer, mich wirklich auf mein Kind und dessen Bedürfnisse einzulassen – von meinen eigenen Bedürfnissen ganz zu schweigen.

Meine flexiblen Arbeitszeiten helfen, meine Arbeit mit den Kitazeiten zu vereinbaren. Eine 4- oder 4,5-Tage-Woche bei voller Bezahlung würde mich aber extrem entlasten. Ein gesponsertes flexibles Kontingent an Babysitter-Stunden oder eine Putzhilfe einmal pro Woche würden mir auch helfen. Generell wünsche ich mir mehr Awareness dafür, was es bedeutet, den Job nicht als Prio eins zu haben.“

Eine weiblich gelesene Person die einem Kind versucht, die Haare mit einer Schleife hochzubinden.

Manuel hat vier Kinder im Alter von eins bis 13, er arbeitet in Vollzeit, seine Partnerin 20 Stunden in der Woche.

„In unserem Alltag muss alles extrem gut abgestimmt und getaktet sein. Leider kommt aber oft etwas Unerwartetes dazwischen. Glücklicherweise kann Oma manchmal aushelfen. Mit vier Kindern fokussieren wir uns auf die nötigsten Aufgaben wie Waschen, Einkaufen und so weiter. Aber sobald zusätzliche Dinge hinzukommen wie beispielsweise neue Schränke aufzubauen oder Klamotten einzukaufen, fehlt uns oft die Zeit oder die Energie, und es dauert ewig, bis diese Aufgaben erledigt werden.

Ich kann nicht immer acht Stunden am Stück durcharbeiten, sondern bin manchmal abends vor dem Rechner, wenn die Kinder im Bett sind. Glücklicherweise habe ich einen verständnisvollen Arbeitgeber. Leider erlaubt der Beruf meiner Frau als Erzieherin wenig Flexibilität und grundsätzlich würden wir beide etwas weniger arbeiten, wenn es die finanzielle Situation erlauben würde.“

Eine männlich gelesene Person, mit einer Milchtüte in der Hand, schiebt einen Einkaufswagen an, in dem sich mit vier Kindern befinden. Eines davon ist ein Baby, die anderen drei sind Kleinkinder..

Ulrike ist freiberufliche Texterin und Yogalehrerin. Sie ist aktuell mit dem zweiten Kind in Elternzeit und überlegt, wie sie sich danach beruflich verändert.

„Als Freiberuflerin wünsche ich mir vom Staat, als Mutter nicht alleingelassen zu werden. Mutterschaftsgeld oder Verdienstausfall bei kranken Kindern sind kaum oder gar nicht für Selbstständige geregelt. Es gibt die Petition „Mutterschutz für alle“, die eine Änderung fordert. Meine Flexibilität als Freiberuflerin wird mir im Elternalltag oft zum Verhängnis, da ich häufig einspringe, wenn die Betreuung ausfällt, obwohl mein Mann als Angestellter an Kinderkrankentagen weiter bezahlt wird. Da kickt das Patriarchat. Mein Mann fragt sich, ob er Nachteile im Job hat, wenn er mehr Elternzeit oder Kinderkrankentage nimmt. Das macht mich wütend, gleichzeitig verstehe ich, wie schwer es ist, sich im Job von den veralteten Rollenbildern zu lösen. Ich fordere ein, dass mein Mann hier mehr Verantwortung übernimmt – aber manchmal ist es einfacher, nachzugeben.“

Eine erwachsene Person steht mit einem Handy, welches wegen Benachrichtigungen vibriert, und einer Pfanne in den Händen vor zwei kleinen Kindern.

Werdet eine Caring Company

Viele Männer wollen sich stärker in die Familienarbeit einbringen und mehr Gleichberechtigung.2Zwei Drittel würden ihre wöchentliche Arbeitszeit um ein knappes Drittel verkürzen und einige sogar ein halbes bis ein Jahr Beruf zugunsten der Familie aufgeben, wenn es ginge.3Aber viele Unternehmen gewähren Vätern längere Elternzeit oder Teilzeit nur zähneknirschend.

Die Unvereinbarkeit von Job und Familienleben hat aber negative Auswirkungen auf die Motivation von Mitarbeiter*innen, sie erhöht Fehlzeiten und Unzufriedenheit. Unternehmen täten also gut daran, diese Einstellung zu ändern.

Eine Caring Company, wie Lücke sie nennt, unterstützt Menschen mit Sorgeverantwortung, hilft Frauen, Sorgearbeit abzugeben, und Männern, welche zu übernehmen. Um zu einer Caring Company zu werden, müsst ihr euch um drei Aspekte kümmern:

✅ Macht Sorgearbeit zur Norm
✅ Schafft Policys und Hilfsangebote
✅ Stellt eure Arbeitsabläufe auf Care-Gebende ein

1. Macht Sorgearbeit zur Norm

Aus einer Zeit, in der es einen Alleinverdiener gab und Hausarbeit und Kindererziehung der Frau oblagen, stammt das Bild eines Mitarbeiters, der sich vollständig auf die Erwerbsarbeit konzentrieren kann und keine Fürsorgeverantwortung trägt. Diese Normvorstellung ist nicht mehr zeitgemäß. Ein erster wichtiger Schritt hin zur Caring Company ist daher laut Lücke, unterschiedliche Lebensrealitäten eurer Mitarbeiter*innen anzuerkennen und in eurer Arbeitskultur zu berücksichtigen: Es gibt Menschen mit viel, wenig und ohne Sorgeverantwortung. Anstatt mit den Augen zu rollen, dass der*die eine Kolleg*in immer früher los muss, um das Kind von der Kita abzuholen, sollten wir anerkennen, dass diese Person einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leistet.

Dieses Umdenken erreicht ihr durch Sensibilisierung, Fortbildungen und Workshops durch externe Speaker*innen. Auch ohne viel Geld lässt sich Sorgearbeit sichtbarer machen. Besprecht untereinander, wer durch welche Fürsorgetätigkeiten belastet ist, und macht das für alle transparent. Dabei könnt ihr zum Beispiel auch diskutieren, wer innerhalb eurer Organisation mehr Mental Load trägt oder reproduktive Aufgaben übernimmt: Wer denkt daran, Kuchen zum Geburtstag der Kolleg*in zu backen? Wer räumt das Geschirr in den Geschirrspüler und stellt ihn an? Fangt an, über Sorgearbeit zu sprechen und sie einzufordern, anstatt sie als Nebensache abzutun.

Ein wichtiger Hebel für einen Mentalitätswechsel innerhalb der Organisation ist, dass Führungskräfte als Vorbilder agieren: männliche Chefs, die ein Ehrenamt übernehmen, sechs Monate Elternzeit nehmen und Verantwortung abgeben, die mit dem kranken Kind zu Hause bleiben und das auch kommunizieren. Organisationen sollten ihre Mitarbeiter*innen ermutigen, Sorgearbeit zu leisten – sei es eben im Ehrenamt, als Patenonkel oder -tante oder Betreuungsperson von Kindern innerhalb der Wahlfamilie oder des Freundeskreises. Denn diese Arbeit fällt ohnehin an und es liegt an uns allen, sie sichtbar zu machen und besser innerhalb der Gesellschaft zu verteilen.

Eine weiblich gelesene Person liest Zettel, die sie in der Hand hält, während eine männlich gelesene Person mit Krawatte hinter ihr steht und runde Kugeln auf den beiden Schultern platziert. Es liegen schon zwei große Kugeln auf den Schultern.

Mental-Load-Selbsttest

Patricia Cammarata und Almut Schnerring haben zum Equal Care Day einen Mental-Load-Selbsttest für Eltern und einen für den Arbeitsplatz entwickelt, den ihr ausfüllen könnt, um zu ermitteln, wie gerecht Sorgearbeit in eurem Team verteilt ist. Dort könnt ihr ankreuzen, ob ihr Tätigkeiten nie, selten, öfter oder sehr oft übernehmt. Wir zeigen im Folgenden nur einen Auszug, den kompletten Test findest du hier.

Eine Tafel mit zwei Spalten. In den Spalten befinden sich Antworten zu folgender Frage: Wie oft übernimmst du auf der Arbeit diese Tätigkeiten? Die Antworten können mit den Auswahlboxen "Nie", "Selten", "Öfter", "Sehr oft" beantwortet werden.

2. Schafft Policys und Hilfsangebote

Sobald der Umdenkprozess eingeleitet ist, könnt ihr euch mit konkreten Maßnahmen beschäftigen, um Sorgearbeit für eure Kolleg*innen stressfreier zu machen: Wie gehen wir damit um, wenn jemand schwanger wird? Wie fangen wir erhöhten Pflegebedarf von An- und Zugehörigen oder plötzliche Kitaschließzeiten im Team auf?

Verpflichtet euch auf eine Selbsterklärung, die ihr prominent irgendwo aufhängt oder ablegt: „Diese vier Punkte zeichnen uns als fürsorgefreundliche Organisation aus.“ Zusätzlich ist eine Sorgearbeit-Policy nützlich, die Fragen beantwortet wie:

❓ Wie sieht eine unterstützende Policy für Schwangerschaft, Wochenbett und Elternzeit aus?
❓ Welches Vertretungssystem greift bei Krankheit von Kindern oder Zugehörigen?
❓ Wie können Kita-Abholzeiten in den Teamplänen besser berücksichtigt werden?
❓ Wie tragt ihr dazu bei, dass bei euch nur Frauen längere Elternzeit oder Teilzeit in Anspruch nehmen, und wie ändert ihr es?

Findet in Umfragen die Bedürfnisse eurer Kolleg*innen heraus und legt Regeln fest, wie etwa: Wichtige Meetings sollten nur im Zeitraum *von bis* oder nicht nach 14 Uhr stattfinden. Zu den Kitaschließzeiten und in den Ferien greift Vertretungsplan X. Selbstverständlich ist auch eine Diskussion und Regelung zu Gehältern und Beförderungen wichtig, die eine Gender-Pay-Gap minimiert. Es reicht nicht, dass gleichwertige Positionen gleich bezahlt werden, wenn statistisch gesehen Frauen seltener in die höher bezahlten Positionen kommen.

Eine große Hilfestellung kann auch eine externe Beratung für Familien zu Themen wie ärztliche Versorgung oder Kitas sein, um Eltern mit ihrem Mental Load zu helfen. Manche wissen zum Beispiel nicht, dass sie Anspruch auf Kinderkrankentage oder Eltern-Kind-Kuren haben.

3. Stellt eure Arbeitsabläufe auf Care-Gebende ein

Die dritte Stellschraube bei der Unterstützung von Sorgeverantwortlichen sind die Arbeitsabläufe. Nur wenn in der Personalplanung mitgedacht wird, dass Menschen kurzfristig ausfallen können, bestimmte Termine wie Elternversammlungen oder Ärztinnengespräche beachten müssen und Auszeiten brauchen, wird Sorgearbeit für diese Menschen stressfreier. Es ist auch eure Verantwortung, diese Probleme zu lösen. Wenn eure Teams wegen Fehlzeiten aufgrund eines plötzlichen Lehrer*innenstreiks nicht ausreichend besetzt sind, dann habt ihr eure Arbeitsbelastung nicht gut genug geplant und müsst eine weitere Stelle schaffen.

Wenn ihr könnt, bietet unbedingt eine freiwillige Flexibilisierung des Arbeitsortes und der Arbeitszeit an. Besonders für Familien mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ist die Zeit, in der sie gut To-dos abhaken können, nicht immer planbar. Vielleicht können sie nach dem Zubettbringen der Kinder noch schnell eine Aufgabe erledigen. Oder sie wollen verreisen, aber trotzdem ein bisschen Arbeit erledigen, um die Betreuungszeiten in den langen Sommerferien überbrücken zu können. Sie freuen sich sicher über ein Workation-Angebot.

Eure Arbeitszeitmodelle sollten, wenn möglich, lebensphasenorientiert, das heißt flexibel auf die Bedürfnisse bestimmter Lebensumstände angepasst sein.4Gerade für Care-Gebende kann es attraktiv sein, teilweise Stunden für einen kürzeren Zeitraum zu reduzieren oder zu bestimmten Phasen eher zerstückelt zu arbeiten. Mit ein bisschen Kreativität lassen sich auch in Berufen flexiblere Arbeitsmodelle finden, in denen es zunächst unmöglich scheint. Linda Brack, Beraterin für Gleichstellung und Leadership, beriet zum Beispiel eine Kita, die jetzt sogar einen Tag Homeoffice ermöglicht.5

Jobsharing und Co-Leadership werden in diesem Zusammenhang noch viel zu wenig beachtet, sagt Brack. Anders als bei der gewöhnlichen Teilzeit, bei der oft keine verantwortungsvollen Rollen mehr übernommen werden können, wird beim Jobsharing eine ganze Stelle zeitlich auf zwei oder mehrere Personen verteilt, zum Beispiel 50:50 oder 40:60. So lassen sich komplexe Jobs auf Führungsebene auch in Teilzeit beziehungsweise bei einem Wiedereinstieg nach der Elternpause machen, weil die beiden Personen sich ergänzen und als Sparringspartner*innen nutzen können.

Schließlich könnt ihr überlegen, ob ihr ein paar zusätzliche freie Tage für sorgetragende Personen einführt: Das kostet euch wenig Geld, verändert aber die Kultur und setzt ein Zeichen. Doctolib hat beispielsweise einen „Back to school day“ eingeführt, Henkel und die Tomorrow GmbH haben eigene Programme für die Familienstartzeit geschaffen. Bei Tomorrow kann jede Person den zweiwöchigen baby leave nehmen, die eine Person im Wochenbett begleitet, also auch Mitarbeitende, die etwa eine alleinerziehende Mutter versorgen.

Denkt eure Abläufe von den Sorgegebenden her, dann wird es auch für alle von euch, die noch keine Sorgeverantwortung tragen, einfacher, damit anzufangen.

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Input-Geber*innen

  • Jo Lücke ist Politische Bildnerin, Autorin und Beraterin zu den Themen Mental Load und Neue Normen für Wirtschaft und Care. Sie hat den Mental-Load-Test erfunden und ihr Buch Für Sorge: Wie Equal Care euer Familienleben rettet ist 2024 bei Knaur erschienen.

  • Linda Brack ist Moderatorin, Diversity- und Leadership-Consultant und Gründerin von #Frauenmacht, ein gemeinnütziger Verein, der Austausch fördert und deutschlandweit Events zu den Themen gleiche Bezahlung, geschlechtergerechte Sprache und Feminismus veranstaltet.

Zum Weiterlesen

  1. Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert!: Diskriminierung von Eltern im Job: Fallgeschichten von Betroffenen und Lösungsansätze
    von Sandra Runge und Karline Wenzel
  2. Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten!: So funktioniert Jobsharing von Lydia Leipert und Rebecca Zöller

FUßNOTEN

  • 1

    Leider tauchen queere Paare und ihre Aufteilung der Sorgearbeit nicht in offiziellen Statistiken über Deutschland auf. Doch es gibt Belege dafür, dass vor allem lesbische Paare die Sorgearbeit gleicher aufteilen

  • 2

    Bundesministerium für Familie: Väterreport (2021)

  • 3

    Christine Henry-Huthmacher und Marcus Schmitz: Väter zwischen Karriere und Familie, Sankt Augustin/Berlin (2010)

  • 4

    Siehe auch unseren Artikel über nachhaltige Arbeitszeitmodelle: Arbeit ist das halbe Leben? Besser nicht!

  • 5

    Wer sich fragt, was Kita-Fachkräfte bitte schön im Homeoffice erledigen können, findet hier eine Liste.

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