In unserer Kolumne Frag Fred geben wir Antworten auf Fragen, die im Kontext Neuer Arbeit immer wieder auftauchen. Diesmal: Wie es gelingt, Meetings zu verbessern.
Die Ausgangsfrage
Unsere Meetings kosten uns viel Zeit, sie fühlen sich oft zäh an und Spaß machen sie nur selten. Wie können wir das ändern?
Schätzungen zufolge haben Führungskräfte in den 1960er-Jahren noch weniger als zehn Stunden pro Woche in Meetings verbracht. Heute sind es über 20 Stunden. Nicht eingerechnet ist dabei die Vor- und Nachbereitungszeit. Gleichzeitig geben Führungskräfte an, nur 17 Prozent ihrer Meetings seien produktiv und gut genutzte Zeit. Das bedeutet, dass sie rund 900 Stunden im Jahr, also über 20 vollständige 40-Stunden-Wochen, in Meetings verbringen, die besser sein könnten.
Andere Studien zeigen, dass konstruktives Verhalten in Meetings die Arbeitszufriedenheit erhöht und mit dem späteren Erfolg des Unternehmens korreliert. Studien zu hochleistenden Teams zeigen ebenfalls, dass diese sich unter anderem durch ihre Meeting-Praktiken auszeichnen. Sie nutzen häufiger als andere Teams Elemente wie einen Check-in und eine Agenda.
Die gute Nachricht ist: Meetings lassen sich verändern. Sie sind der Ort, an dem gelebt wird, wie ein Team, eine Organisation tickt. Wer also Meetings verbessert, verbessert damit den Rest der Organisation gleich mit.
Grundregeln für bessere Meetings
Viele Menschen halten es für unumgänglich, dass ein Meeting energieraubend ist. Und dass sie nach dem Meeting eher verwirrter sind als vorher. Dabei sind das zwei Indikatoren dafür, dass das Meeting nicht besonders gut gestaltet war. Denn ein gutes Meeting erkennt ihr daran, dass die meisten Menschen im Raum auf die folgenden Fragen mit Ja antworten:
- Gehe ich mit mehr Energie aus dem Meeting?
- Gehe ich mit mehr Klarheit aus dem Meeting?
Auch wenn es nicht das perfekte Meeting gibt, das alle Menschen gleichermaßen lieben werden, so gibt es doch einige Grundregeln, die praktisch jedes Meeting besser machen.
1. Gute Meetings nehmen nur eine Ebene in den Fokus.
Besonders anstrengend sind Meetings, wenn verschiedene Ebenen gemischt werden: Eine Person möchte operative Themen klären, eine andere hat grundsätzliche Fragen zur aktuellen Ausrichtung. Zwei andere Personen haben einen ungeklärten Konflikt auf der Beziehungsebene, der alle Diskussionen überlagert.
Meetings werden deutlich einfacher, wenn jedes sich auf eine Ebene der Organisation beschränkt: In einem operativen Meeting geht es nur um operative Themen. In einem Strategie-Meeting geht es nur um strategische Themen. Und der Beziehungskonflikt der zwei Personen sollte in einem eigenen Meeting geklärt werden, in dem es nur um die Beziehungsebene geht.
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Magazin kostenlos lesen2. Gute Meetings haben ein Ziel, das allen bekannt ist.
Meetings sind immer besser, wenn klar ist, was mit ihnen erreicht werden soll. Daher braucht jedes Meeting ein klar formuliertes Ziel. So kann außerdem jede Person selbst entscheiden, ob sie für dieses Meeting gebraucht wird und sich mental darauf vorbereiten. Nicht sinnvoll ist es, wenn Menschen erst im Meeting erfahren, worum es eigentlich geht.
3. Gute Meetings haben eine klare Struktur.
Egal, wie simpel sie ist: Jedes Meeting sollte eine Agenda haben, an der sich die Teilnehmer*innen entlang hangeln. Das spart mentale Kapazität und Diskussionen. Idealerweise steht die Agenda im Vorfeld oder zu Beginn des Meetings fest, ist aber so durchlässig, dass im Meeting noch Themen integriert werden können (siehe auch Punkt „offene Agenda“ unten).
4. Gute Meetings sind vorbereitet.
Je mehr Menschen im Meeting sind, desto wichtiger wird es, das Meeting auch gut vorzubereiten. Schließlich wird jede Minute, die in der Vorbereitung gespart wurde, sonst von allen im Meeting bezahlt. Für Vorbereitung und Strukturierung des Meetings macht es auch Sinn, sich klar zu machen, dass die Menge an potenziellem Chaos nicht linear mit der Anzahl an Personen wächst, sondern exponentiell: Jede Person bringt ihre eigenen Gedanken mit, und jede Person hat zu jedem Gedanken eine potenzielle Reaktion.
Sync-Meeting
5. Gute Meetings sind moderiert.
Die Moderationsrolle ist eine wichtige Führungsrolle: Im Rahmen eines Meetings hat sie die Macht, zu entscheiden, was gerade hilfreich ist und was nicht. Sie übernimmt die Verantwortung dafür, dass die Zeit gut genutzt wird und das Meeting sein Ziel erreicht. Es ist wirklich immer sinnvoll, dass eine Person diese Rolle ausübt. In manchen Meetings wird sie nicht so sehr in Erscheinung treten (dann schadet es aber auch nicht, sie zu haben), in anderen Meetings wird sie stark gefordert, weil alle durcheinander reden und keine*r mehr weiß, worum es gerade geht. Falls ihr diese Rolle noch nicht habt, schafft sie unbedingt und gebt ihr den Stellenwert, den sie verdient. Legt dafür fest, was genau ihr Auftrag bzw. ihr Purpose ist und welche Verantwortlichkeiten in ihr liegen.
6. Gute Meetings haben klare Rollen.
Neben der Moderationsrolle gibt es weitere Standard-Rollen, die Meetings besser machen können: z.B. ein*e Schriftführer*in, die sich um die Dokumentation kümmert.
Darüber hinaus sollten alle Personen, die teilnehmen, folgende Frage beantworten können: In welchen Rollen bist du in diesem Meeting? Und bei Beiträgen macht es durchaus Sinn, zu fragen: Aus welcher Rolle heraus kommunizierst du gerade? Das macht es oft leichter, sich um die Sache zu drehen und nicht um die Egos.
7. Gute Meetings lagern Dinge aus.
Im Eifer des Gefechts erscheint es manchmal, als müsse jede Diskussion an Ort und Stelle zu Ende geführt werden. Oftmals ist das aber sehr schlecht genutzte Zeit. Die meisten dieser Diskussionen können problemlos abgekürzt oder die Personen gebeten werden, sie ggf. außerhalb des Meetings fortzuführen.
Generell hilft es den meisten Meetings, die Zeit etwas knapper anzusetzen und die Moderationsrolle zu beauftragen, ausufernde Punkte ggf. auf ein 1:1-Treffen außerhalb des Meetings auszulagern. Im Meeting sollten idealerweise vor allem Themen Raum bekommen, die alle Anwesenden betreffen. Und wenn Dinge ausgelagert werden, zeigt sich auch, ob den Personen wirklich daran gelegen ist, sie zu klären, oder ob es z. B. darum ging, vor der Gruppe zu zeigen, wer recht hat oder besser argumentieren kann.
8. Gute Meetings fokussieren auf das, was passiert ist (und nicht das, was nicht passiert ist)
In Meetings wird oft viel darüber gesprochen, was alles nicht passiert ist und warum. Menschen geraten in einen Rechtfertigungsmodus und erklären, welche guten Gründe es gibt, dass sie in ihrem Projekt noch nicht da stehen, wo sie gerne wären. Diese Informationen sind meist komplett irrelevant für das Team. Relevant ist, was geschehen ist, also echte Updates, Antworten auf die Frage: Was hat sich verändert, seitdem wir zuletzt gesprochen haben? Bezogen auf die Dinge, die nicht passiert sind, könnt ihr fragen: Welche Hindernisse gibt es, bei denen du Unterstützung von uns brauchst? Vermeidet jedoch, Zeit im Meeting auf Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen zu verwenden.
Moderator*in
9. Gute Meetings haben einen Check-in und einen Check-out.
Jedes Meeting wird besser, wenn es mit einem Check-in beginnt und einem Check-out endet. Der Check-in ist dazu da, allen die Möglichkeit zu geben, sich kurz zu zeigen und den anderen mitzuteilen, wie sie heute da sind (wie geht es mir heute emotional, was müsst ihr wissen, um gut mit mir arbeiten zu können?). Der Check-out dient der gemeinsamen Reflexion, hier kann auch Feedback an die Moderation gegeben werden, was beim nächsten Mal anders sein könnte. Natürlich sollte nicht euer halber Tag aus Check-ins und Check-outs bestehen. Wie viel Zeit angemessen erscheint, sollte die Moderationsrolle im Blick haben.
10. Gute Meetings fokussieren auf ich und du und vermeiden den Konjunktiv.
Viele Meetings sind voll von Redebeiträgen à la „Wir sollten“, „Man müsste“. Die führen selten irgendwohin. Ergebnisorientierte Sprache findet meist in der ersten und zweiten Person Singular statt: „Ich brauche von dir“. Streicht am besten das „Wir“ und lasst die Moderationsrolle fragen: Wer genau soll das machen? Was brauchst du? Vermeidet außerdem den Konjunktiv, denn der beschreibt Irreales (sollte, müsste, bräuchte), und das hilft den allerwenigsten Meetings.
Gute Check-in-Fragen
11. Gute Meetings haben eine offene Agenda.
Jedes Meeting kann eine offene Agenda haben, die ans Ende gestellt wird. In diese offene Agenda können alle vorab Themen einbringen, sie bleibt aber auch im Meeting offen, d.h. kann bis zum Ende mit Themen befüllt werden. Jeder Punkt ist genau einer Person zugeordnet, die Moderation fragt sie: Was brauchst du (zu diesem Punkt)? Noch einfacher wird es, wenn ihr Kategorien vorgebt, also die Person direkt sagt: Ich brauche eine Information, ich möchte eine Information teilen, ich brauche Resonanz, ich brauche Unterstützung …
Toll an der offenen Agenda ist: Wann immer jemand im Meeting einen Punkt mit einem anderen Punkt kapern will, landet der neue Punkt einfach auf der offenen Agenda. So geht nichts verloren, aber ihr vermeidet das Von-A-nach-B-nach-C-Springen, das die meisten Meetings so anstrengend macht.
12. Gute Meetings verbieten Stellvertreterspannungen.
In Meetings wird oft Zeit darauf verwendet, über Probleme zu reden, die keine sind. Irgendjemand bringt einen Punkt mit, der „unbedingt noch kurz besprochen werden“ sollte. Alle haben eine Meinung dazu, es wird lange diskutiert, doch so richtig ergiebig ist das nicht. Irgendwann stellt sich dann heraus, dass die Person, die den Punkt ins Meeting eingebracht hat, ihn gar nicht so wichtig findet und daher auch kein Interesse hat, im Nachgang des Meetings nächste Schritte einzuleiten. Sie hatte selbst keine Spannung zu dem Thema, wollte also für sich nichts lösen. Dachte aber, das Thema sei für andere relevant, Personen, die vielleicht im Meeting sitzen oder nicht kommen konnten.
Um euch diese zermürbenden Erfahrungen zu ersparen: Verbietet Stellvertreterspannungen! Jede Person kann nur Spannungen einbringen, die sie selbst hat. Falls ihr der Meinung seid, andere könnten eine Spannung haben, fragt sie und bittet sie ggf., sie selbst einzubringen. Wenn sie keine Spannung haben oder sie nicht einbringen wollen, spart ihr euch die Zeit und seid früher fertig.
13. Gute Meetings führen zu klaren nächsten Schritten.
Im Grunde ist ein Meeting dann besonders produktiv, wenn viele nächste Schritte geschaffen und im Team verteilt wurden. Dann gehen alle raus und erledigen die eigentliche Arbeit, die ja außerhalb des Meetings stattfindet. Oftmals sieht die Meetingkultur jedoch genau andersrum aus: Die Anwesenden wollen möglichst viel im Meeting klären und möglichst keine Arbeit mitnehmen. Das zieht das Meeting in die Länge und macht alle unproduktiv. Viele Aufgaben in kurzer Zeit zu identifizieren und zu vergeben, sollte daher als Erfolgskennzahl gesehen werden. Haltet die Meetings kürzer und stellt so sicher, dass alle genügend Zeit haben, sich außerhalb der Meetings um die eigentliche Arbeit zu kümmern.
Nach dem Meeting ist vor dem Meeting
Es gibt immer Dinge, die ihr noch besser machen könnt. Nutzt daher die Check-outs, um zu reflektieren. Und nehmt euch regelmäßig, z.B. in einem Workshop, die Zeit, gründlich darüber nachzudenken, was noch besser sein könnte an euren Meeting-Routinen. Angesichts der vielen vielen Stunden, die ihr jedes Jahr auf Meetings verwendet, solltet ihr an dieser wichtigen Zeit nicht sparen. Sammelt dabei Spannungen: Was empfinden die einzelnen Menschen aktuell als potenziell verbesserbar? Und sucht dann nach kleinen, machbaren Schritten, um es künftig ein kleines bisschen besser zu machen.