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Im Homeoffice ist es nicht immer leicht Privates und Berufliches voneinander abzugrenzen.
Remote-Arbeit

Wie ihr als Remote-Team auf eure Grenzen achtet

Wenn Arbeit und Privatleben im gleichen Raum stattfinden, wird es schwieriger, Grenzen zwischen beiden Bereichen zu ziehen. Auf Dauer ist das eine Herausforderung für die psychische Gesundheit. Wie können Teams damit umgehen?

Für viele Menschen besteht der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit nur noch darin, die Tabs im Browser zu wechseln: Slack, Mails und Meetings weichen Serien und Onlineshopping. Wer von zu Hause arbeitet, ist ständig mit dem eigenen Privatleben konfrontiert. Umgekehrt dringt die Arbeit ins Privatleben ein, auch wenn gerade Pause, Feierabend oder Wochenende ist: Kurz vorm Schlafengehen noch schnell eine Nachricht beantworten, in der Mittagspause einer Kollegin helfen – Freizeit ist nicht mehr wirklich frei.

„Wenn Arbeit und Privatleben in denselben Räumen stattfinden, erschwert dieses örtliche Verschwimmen das Abschalten von der Arbeit“, schreiben auch die Wissenschaftler*innen Annina Fischer und Justus Walf.1 Wir sind ständig erreichbar, was auf Dauer Erschöpfung, Stress, Burn-out und sogar ernsthafte psychische Erkrankungen wie Depressionen fördert. Andererseits erlaubt uns Remote-Arbeit, Zeit zu sparen, flexibler zu sein und Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Die Vorteile können also überwiegen – wenn es uns gelingt, Grenzen zu ziehen. Dies darf aber nicht an den Mitarbeiter*innen allein hängen bleiben, sondern ist auch Aufgabe des Teams und der Organisation.

„Wenn Arbeit und Privatleben in denselben Räumen stattfinden, erschwert dieses örtliche Verschwimmen das Abschalten von der Arbeit“
Annina Fischer und Justus Walf

Check-up: Wie gehen wir in der Organisation mit Grenzen um?

„Viele Unternehmen wissen nicht, dass sie seit Ende 2013 als Arbeitgeber*in dazu verpflichtet sind, eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen“, sagt Benthe Untiedt von SHITSHOW – Agentur für Psychische Gesundheit. Die psychische Gefährdungsbeurteilung dient dazu, verschiedene Risikofaktoren (z.B. Führungsstil, Krankheitstage, Überstunden) zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. So zeigen Studien beispielsweise, dass sich Menschen im Homeoffice oft antriebslos, gestresst und isoliert fühlen.2

Häufige Ursache sind fehlende Grenzen: Fast die Hälfte der Arbeitnehmenden arbeitet im Homeoffice länger als im Büro. Der Arbeitstag hat keine Anfangs- und Endzeit, es gibt keine Bürotür, die wir nach Feierabend schließen, und es ist schwierig, zu erkennen, wann wir genug erreicht haben, um zufrieden zu sein.

Amir Salihefendic, Gründer eines Remote-Unternehmens, schreibt dazu: „Wenn man seine Kolleg*innen nicht jeden Tag persönlich sieht, ist es leicht anzunehmen, dass alles in Ordnung ist, obwohl es das nicht ist.“3 Unternehmen sollten sich deshalb einen Überblick darüber verschaffen, wie es ihren Mitarbeitenden im Homeoffice geht, und dann überlegen, wie sie die Lage verbessern können.

Ein fast zugeklappter Laptop auf einem Stuhl

Über Grenzen kommunizieren

Der erste und vielleicht wichtigste Schritt ist, ein gemeinsames Verständnis von gesunden Grenzen zu schaffen. In den meisten Unternehmen findet ein Großteil der Kommunikation heutzutage schriftlich statt. Das kann problematisch sein. Wenn du etwa einem*einer Kolleg*in per Textnachricht schreibst: „Sorry, ich weiß, du bist gerade in der Mittagspause, ich wollte dich nur kurz fragen …“, kann es gut sein, dass du damit bereits, ohne es zu merken, seine*ihre Grenzen überschreitest.

Sprecht deshalb darüber, welche Tools und Kanäle ihr wann und für welche Formen der Kommunikation verwenden wollt. Bei Neue Narrative haben wir diese Absprachen in einer Kommunikations-Policy festgehalten. Sie besteht aus Best Practices und Daumenregeln, die wir für jedes Kommunikationstool festgelegt haben. Hier ein gekürzter Auszug:

Kommunikationspolicy

  • Habt den Messenger Slack nicht den ganzen Tag offen.
    Es gibt bei NN nicht die Erwartung, den ganzen Tag auf Slack erreichbar zu sein und alle Nachrichten sofort zu beantworten. Im Gegenteil: Wir priorisieren Deep Work und vermeiden Shallow Work, deshalb ist es nicht nötig und sogar kontraproduktiv, den ganzen Tag via Slack erreichbar zu sein. Nach Feierabend, am Wochenende und während eures Urlaubs solltet ihr Slack nicht nutzen.
  • Reviewt regelmäßig, wie viel Zeit ihr in Meetings verbringt.
    Alle Meetings bei NN sind freiwillig. Reflektiert, ob sich eure Meeting-Zeiten stimmig anfühlen oder ob ihr etwas verändern wollt.
  • Vermeidet Back-to-back-Termine.
    Aus einem Meeting direkt ins nächste und übernächste zu stolpern, mag als Ausnahme okay sein. Es sollte aber nicht zur Regel werden. Denkt an Pausen und lasst Meetings, wenn ihr sie einstellt, zehn Minuten vor der vollen Stunde enden.
  • Kommuniziert zeitliche Dringlichkeit.
    Wir arbeiten grundsätzlich ohne Deadlines. Wenn eine Sache dringend ist, kommunizieren wir, bis wann wir Feedback brauchen, und bitten die andere Person, Bescheid zu sagen, falls es zu einer Verzögerung kommen sollte.
  • Macht eure Erreichbarkeit transparent.
    Wenn ihr nur an bestimmten Tagen für NN arbeitet, schreibt bitte in euer Profil, wann ihr erreichbar seid. Macht Abwesenheiten (z.B. Krankheit und Urlaub) mit einem Emoji im Status sichtbar. So sehen eure Kolleg*innen auf den ersten Blick, wenn ihr gerade nicht da seid, und können sich danach richten.

Wichtig ist, dass ihr als Team herausfindet, welche Regelungen sich stimmig anfühlen. Folgende Fragen können dabei helfen:

  • Wer arbeitet wann?
  • Woher wissen wir, dass jemand in den Feierabend gegangen ist?
  • Wann können wir in der Regel mit einer Rückmeldung rechnen?
  • In welchen Situationen und zu welchen Uhrzeiten sind wir nicht erreichbar
  • Kommunizieren wir während Abwesenheiten weiter oder terminieren wir E-Mails, sodass sie erst abgeschickt werden, wenn die Person wieder da ist?
  • Haben wir Kernarbeitszeiten?

Starke Beziehungen sind die Grundvoraussetzung, um ehrlich über Grenzen zu sprechen und sie einzuhalten. Gerade Remote-Teams sollten die Wichtigkeit eines Teamgefühls nicht unterschätzen. Besprecht das Thema Grenzen-Ziehen innerhalb eurer Arbeitsbeziehungen. Tauscht euch in regelmäßigen Deep Check-ins über eure aktuelle Gefühlslage und Herausforderungen aus. Diese Deep Check-ins können virtuell oder auch vor Ort bei sozialen Events stattfinden. Mögliche Fragen sind:

  • Wie gestresst fühle ich mich gerade auf einer Skala von 1 bis 10?
  • Falls es kein produktiver Stress ist, was kann ich diese Woche tun, um wieder in Balance zu kommen?
  • Wann ist es mir diese Woche gelungen, meine Grenzen einzuhalten? Wann nicht?
  • Was können wir tun, um mentale Gesundheit im Team zu enttabuisieren?

Baut euch People-Profile

Ein People-Profil ist eine Art Steckbrief, den jede*r im Team für sich selbst ausfüllt und dann mit den anderen teilt. Darin können alle Teammitglieder ihre wichtigsten Rollen, Stationen aus ihrem professionellen Lebenslauf, persönliche Werte sowie Stärken und Schwächen beschreiben.

Drei Figuren gemeinsam auf einem Fahrrad.

Ausschnitt aus Taras People-Profil

  • Meine regulären Meeting-Zeiten sind: Workathons: 10–12 Uhr, alle anderen Meetings: 14–18 Uhr 4
  • Bitte kontaktiere mich nach 18 Uhr nicht über diese Kanäle: Slack. (Mails sind dagegen in Ordnung)
  • Es ist (okay) / (nicht okay) für mich, wenn du Meetings einfach einstellst: Innerhalb meiner regulären Meeting-Zeiten ist Einstellen in Ordnung, falls das Meeting am selben Tag stattfinden soll, frag mich gern kurz via Slack.
  • Ich kommuniziere am liebsten über … (z.B. Telefon, Video-Meetings, Slack): Slack > Video-Meetings > Telefonieren.
  • Mein No-Go: Spontane Anrufe. Ich werde eh nicht rangehen. Bei WhatsApp mit Kolleg*innen zu schreiben, stört mich nicht.
  • Stelle mir diese Check-in-Frage, wenn du ein tiefergehendes Gespräch mit mir führen willst: „Welche Bücher haben dich geprägt?“, „Was waren die schönsten und schwierigsten Momente der letzten Jahre für dich?“

Achtet aufeinander!

Viele Teams sprechen nicht ehrlich über Bedürfnisse und Grenzen. Manche Teammitglieder haben Angst, ihre Kolleg*innen vor den Kopf zu stoßen, andere befürchten, nicht mehr als Leistungsträger*in zu gelten, wenn sie ihr Privatleben offenlegen.

Statt sich also den benötigten Raum zu nehmen, versuchen sie zu funktionieren, fühlen sich dabei aber zunehmend erschöpft und ausgelaugt. Das ist nicht nur für das Individuum problematisch, sondern schwächt auch das Team und damit das Unternehmen als Ganzes. Bestärkt euch deshalb im Team darin, eure persönlichen wie auch die Grenzen eurer Kolleg*innen einzuhalten, statt sie regelmäßig zu überschreiten.

„Es gibt ein paar Sätze, an denen ihr schnell erkennt, dass ihr in eurer Organisation über Grenzen sprechen solltet“, sagt Benthe Untiedt. Sie klingen zum Beispiel so:

  • „Psychische Belastungen sind bei uns kein Thema.“ oder „Bei uns ist so gut wie nie jemand erschöpft oder überarbeitet.“ (Jede dritte Frau und jeder vierte Mann zeigt innerhalb eines Jahres Symptome von psychischen Belastungen.)
  • „Es stimmt, dass ihr viele Überstunden macht. Deshalb bieten wir ab jetzt eine kostenfreie Meditations-App für alle Mitarbeiter*innen an.“
  • „Wir suchen extrem resiliente und belastbare Mitarbeiter*innen, die auch unter hohem Druck einen kühlen Kopf bewahren.“
  • „Ich habe zwar eigentlich Urlaub/Feierabend, aber …“
  • „Oh, nächste Woche ist International Mental Health Day. Lasst uns noch schnell einen Post für Social Media vorbereiten.“
  • „Wie, du bist nach Feierabend nicht erreichbar? Also ich bin von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr im Büro und arbeite dann abends von zu Hause weiter. Ihr müsst das natürlich nicht genauso machen, aber …“ (Chef*in)

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