Steckbrief: Sanktionsfrei

• Welche Rechtsform hat die Initiative?

  Sanktionsfrei ist ein eingetragener Verein, der gemeinnützig geführt wird.

• Wie viele Beschäftige hat sie?

  Der Verein hat sieben Mitarbeiter*innen, zwei davon arbeiten Vollzeit.

• Was ist die Vision?

  „Eine menschenwürdige Grundsicherung, die alle Menschen angstfrei und bedingungslos absichert, sie unterstützt und fördert, aber, wenn nötig, auch in Ruhe lässt“, sagt Helena Steinhaus.

• Wie kam es zur Gründung?

  Helena und ihr Team haben Sanktionsfrei 2015 gegründet, um gegen finanzielle Kürzungen (Sanktionen) der ohnehin schon niedrigen Grundsicherung vorzugehen. Das Jobcenter kann die Beiträge nämlich unter das verfassungsgemäße Existenzminimum drücken. Dafür müssen Empfänger*innen nur einen Termin verpassen oder ein Arbeitsangebot ablehnen. Obwohl Kürzungen in vielen Fällen rechtlich unzulässig sind, fehlen vielen Betroffenen die Mittel, sich dagegen zu wehren. Das Gründungsteam wollte das ändern. Bei einer Crowdfunding-Kampagne im Jahr 2016 kamen 130.000 Euro zusammen.

• Wie setzt die Initiative ihre Mittel ein?

  Mit dem Großteil des Geldes hat Sanktionsfrei eine Online-Plattform aufgebaut, die es Betroffenen einfach macht, Sanktionen zu widersprechen und finanziell ausgleichen zu lassen. Der Rest wurde für Kampagnenarbeit und den Aufbau des Vereins verwendet. Inzwischen finanziert sich Sanktionsfrei vor allem durch Fördermitglieder, die monatlich 13.000 Euro spenden. Sie entscheiden selbst, ob das Geld in den Solidartopf zum Ausgleich von Sanktionen oder in die Vereinsarbeit fließt.

• Welches Problem will sie lösen?

  „Die Grundsicherung ist schon ungekürzt viel zu niedrig“, sagt Helena. Für Alleinstehende gibt es 502 Euro im Monat, für Kinder bis sechs Jahre 318 Euro. Das macht für eine alleinerziehende Mutter mit Kind 28 Euro am Tag. „Da kann man sich vorstellen, wie wenig für Essen übrig bleibt, wenn die Alleinerziehende davon auch noch Kleidung und Schulsachen kaufen muss“, sagt sie. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Energie. „Die Stromkosten werden nicht zusätzlich gezahlt, sondern müssen aus dem kleinen Regelsatz gestemmt werden. Deshalb sind viele Haushalte verschuldet – und es wird von Monat zu Monat schlimmer.“

• Warum ist ihre Arbeit überhaupt wichtig?

  Von den 5,4 Millionen Menschen, die Bürgergeld beziehen, sind allein 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen Alleinerziehende, vor allem Frauen. Obwohl die meisten von ihnen arbeiten, verdienen sie oft zu wenig und müssen mit dem Bürgergeld aufstocken. Zählt man dann noch die Menschen hinzu, die von Krankheit oder Schicksalsschlägen betroffen sind oder die meiste Zeit mit Care-Arbeit verbringen, bleiben nicht mehr viele übrig, die wirklich erwerbsfähig sind. „Es geht nicht um 5,4 Millionen Menschen, die unbedingt Arbeit brauchen, sondern vor allem um Kinder und andere vulnerable Gruppen“, sagt Helena.

• Was sind ihre größten Erfolge?

  • Sanktionen widersprechen und ausgleichen: Sanktionsfrei hat 2016 eine Plattform gestartet, auf der Bezieher*innen, denen eine Sanktion droht oder die bereits sanktioniert wurden, Widerspruch einlegen können. Die Plattform vermittelt zudem einen Anwalt, der den Fall kostenlos übernimmt. In der Zwischenzeit werden die Betroffenen aus einem Solidartopf finanziell unterstützt. Knapp 3.500 Leuten konnte so bereits geholfen werden.
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse: Zuletzt hat der Verein die Ergebnisse einer dreijährigen Studie veröffentlicht, bei der fast 600 Menschen in Grundsicherung teilgenommen haben. Es ging darum, herauszufinden, was Sanktionen eigentlich bewirken. Dafür wurden die Teilnehmer*innen in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei einer Gruppe alle etwaigen finanziellen Kürzungen ersetzt wurden. Finden die sanktionierten Leistungsbezieher*innen eher Arbeit? Erfüllen die Sanktionen ihren Zweck? „Das Ergebnis ist: Nein, tun sie nicht. Im Gegenteil: Die Sanktionen schüchtern die Menschen ein und isolieren sie, manche werden sogar krank“, sagt Helena. Zuvor gab es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie sich Sanktionen auf Menschen auswirken. Sanktionsfrei nutzt das neue Wissen nun, um medial und politisch noch fundierter gegen Sanktionen anzugehen.