Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug in der Welt der Neuen Arbeit. In unserer Kolumne „Sprache der Arbeit“, zeigen wir, wie sie sich noch ein bisschen sinn- und verantwortungsvoller einsetzen lässt. Diesmal geht es darum, wie ihr im Team Sprachnachrichten gut einsetzen könnt.
Jeden Tag werden auf dem Messenger-Dienst WhatsApp sieben Milliarden Sprachnachrichten verschickt. Auch Slack und Microsoft Teams haben die Funktion eingeführt, sodass Kolleg*innen sich statt Text- nun Sprachnachrichten schicken können, was bereits rund zwanzig Prozent der Befragten einer Umfrage vom Bundesverband Digitale Wirtschaft regelmäßig bei der Arbeit tun.1 Eine bequeme Option, wenn es mal schnell gehen muss – zumindest für den*die Sender*in. Doch für den*die Empfänger*in entsteht oft Mehraufwand: Viele Sprachnachrichten sind lang, chaotisch, behandeln fünf verschiedene Themen, und manchmal finden wir erst beim Aufnehmen heraus, was wir eigentlich sagen wollen. So ein Gedankenchaos während der Arbeit anzuhören, kostet Zeit und Nerven.
Wie sieht ein achtsamer Umgang mit dem Medium aus, der auch den*die Empfänger*in mitdenkt? Und was übersehen die meisten Menschen beim Versenden von Sprachnachrichten?
Ich spreche, du hörst zu!
Im Arbeitskontext können Sprachnachrichten ein Ausdruck von Macht sein, wenn der*die Sender*in sich keine Mühe bei der Kommunikation gibt. Die Verantwortung, relevante von irrelevanten Informationen zu trennen, liegt dann bei dem*der Empfänger*in. Er*sie leistet Kommunikationsarbeit, die beim Aufnehmen der Nachricht vernachlässigt wurde: Ich gebe mir bei meiner Kommunikation nicht so viel Mühe, wie ich könnte, und überlasse es dir, die Informationen zu filtern. So sind Sprachnachrichten vor allem einseitige Kommunikation, die nicht auf Augenhöhe stattfindet und für den*die Empfänger*in mühevolle Mehrarbeit bedeutet.
Vorspulen, zurückspulen
Ein Nachteil von Sprachnachrichten ist außerdem, dass der*die Empfänger*in sie komplett anhören muss, um zu wissen, worum es geht. Bei Textnachrichten können wir Teile überfliegen und schneller erkennen, ob es sich um eine dringende Nachricht handelt oder nicht. Das ist vor allem praktisch für Menschen, die in ihrem Beruf viel Zeitdruck und wenige Unterbrechungen haben, wie beispielsweise in der Medizin oder Pflege. Sprachnachrichten eignen sich außerdem nicht, um wichtige Informationen zu vermitteln, auf die die Organisation später zurückgreifen muss. In diesem Fall muss man erst mal die passende Sprachnachricht wiederfinden und sie ganz durchhören, bis man die gesuchte Information gefunden hat.
20 % nutzen Sprachnachrichten bei der Arbeit
Oft nehmen wir Sprachnachrichten nebenbei auf und behandeln in einer Nachricht mehrere unterschiedliche Themen – vom Feedback zur Strategie über eine organisatorische Frage zum Teamevent bis zur Bitte, eine Mail an ein*e Kolleg*in rauszuschicken. Und plötzlich wird aus einer „kurzen“ Sprachnachricht ein mehrminütiges, chaotisches Sammelsurium verschiedener Themen. Das klingt dann beispielsweise so: „Ich bin gerade unterwegs, deshalb schicke ich dir mal schnell eine Sprachnachricht“ [8 Min. später], oder „Oh, jetzt habe ich die Sprachnachricht aus Versehen schon abgeschickt. Wo war ich noch mal?“, oder „Sorry, dass ich schon so lange geredet habe. Eigentlich wollte ich dir ja Resonanz zu … geben, also meine Gedanken sind …“
Johann Wolfgang von Goethe soll einmal gesagt haben: „Ich schreibe dir einen langen Brief, für einen kurzen habe ich keine Zeit.“ Ähnliches trifft wohl auch auf Sprachnachrichten zu.
Was Sprachnachrichten können
Trotz der Nachteile sind Sprachnachrichten beliebter denn je. Das liegt in erster Linie daran, dass sie bequem sind.2 Ich kann meine unsortierten Gedanken einfach beim Gegenüber abladen. Manchmal entsteht durch das (Aus-)Sprechen aber tatsächlich mehr Klarheit über ein Thema. Sprachnachrichten fügen sich außerdem gut in eine asynchrone Arbeitsweise ein: Wenn ich mit einem*einer Kolleg*in keinen gemeinsamen Slot für ein Telefonat oder einen Video-Call finde, schicke ich ihm*ihr einfach eine Sprachnachricht, die er*sie anhört, sobald Zeit dafür ist.
Sprachnachrichten eignen sich besonders bei einfachen Themen. Zum Beispiel, wenn ich meinem Kreis kurz berichten möchte, wie ein Meeting verlaufen ist, oder wenn ich einer Kollegin ein schnelles Feedback zu einer Frage gebe. Themen also, bei denen eine asynchrone Kommunikation ausreicht, aber eine kleine Erläuterung erforderlich ist. Auch bei emotionalen Themen bietet sich die Stimme als Kommunikationsmittel an, etwa bei Glückwünschen zum erfolgreichen Projektabschluss oder wenn die Organisation einen Meilenstein erreicht hat.

Für Eltern ist es besonders herausfordernd, Berufstätigkeit und Care-Arbeit gleichzeitig zu stemmen. Vor allem Menschen mit Kleinkindern haben selten die Ruhe, einen Text am Handy schön auszuformulieren. Da bietet es sich an, während der Kinderbetreuung einfach schnell (einhändig) eine Sprachnachricht aufzunehmen. Auch Teams, die zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten, sowie Menschen mit Sehbehinderungen oder Sprachbarrieren profitieren im Alltag von Sprachnachrichten. Generell drücken sich viele Menschen lieber verbal als schriftlich aus und verstehen auch andere mündlich besser.
Aber: Damit Sprachnachrichten bei der Arbeit für alle eine Bereicherung oder zumindest keinen Nachteil bedeuten, ist es wichtig, die Vor- und Nachteile zu reflektieren und im Team Regeln für die Nutzung aufzustellen. Wann und mit wem wollt ihr Sprachnachrichten nutzen? Was kann per Sprachnachricht mitgeteilt werden, was nicht? Wie muss eine Sprachnachricht verfasst sein?

Sprachnachrichten-Knigge
Um Rahmenbedingungen festzulegen, kann euch unser Sprachnachrichten-Knigge als Orientierung dienen:
- Teilt keine Infos, die schriftlich festgehalten werden sollen. Wenn du wichtige Daten oder Fakten teilst, mit denen andere Menschen weiterarbeiten, sind Sprachnachrichten ungeeignet. Denn sie lassen sich nicht in einem Ordner abspeichern oder zu einem späteren Zeitpunkt komprimiert mit Kolleg*innen teilen.
- Behandelt pro Sprachnachricht nur ein Thema. Bei Sprachnachrichten reden die meisten Menschen einfach drauflos und überschütten den*die Empfänger*in auch mit belanglosen Themen, Unterbrechungen und Denkpausen. Zu viele unterschiedliche Themen in einer Sprachnachricht sind unübersichtlich, darum beschränke dich jeweils nur auf ein Thema.
- Haltet euch an eine maximale Länge. Wenn Sprachnachrichten eine gewisse Länge erreichen (z.B. vier Minuten), werden sie unpraktisch. In diesem Fall kann ein Telefonat geeigneter sein. Halte dich deshalb an eine maximale Länge: Viele Organisationen nehmen eine Minute als Richtwert.
- Sendet Schlagwörter mit. Sende zu jeder Sprachnachricht Schlagwörter mit (z.B. „Idee Artikel Psychische Gesundheit“), damit Personen in ihrem Suchverlauf danach filtern können.
- Nehmt die Sprachnachricht noch einmal auf. Oft finden wir erst beim Reden heraus, was wir eigentlich sagen möchten. Wenn dir das passiert, lösch die Sprachnachricht und nimm sie neu auf. Das Ergebnis wird viel empfänger*innenorientierter sein.
- Sprecht darüber, wann ihr Sprachnachrichten nutzt. Wenn deine Info zu lang für eine Textnachricht und zu kurz für ein Telefonat ist, könnte eine Sprachnachricht geeignet sein. Manche Teams haben auch die Regel, dass nur Updates und Ideen via Sprachnachricht kommuniziert werden dürfen, also einfache Nachrichten ohne harte Fakten.
- Denkt Asynchronität mit. Der Vorteil von Sprachnachrichten ist, dass du sie auch verschicken kannst, wenn der*die andere gerade einen vollen Meetingtag hat. Und die andere Person kann sie sich dann anhören, wenn es gerade passt – ohne, dass ihr euch für ein Meeting oder ein Telefonat verabreden müsst. Daher solltet ihr bei Sprachnachrichten keine sofortige Rückmeldung erwarten.
- Vermeidet Medienbrüche. Der*die Empfänger*in einer Sprachnachricht sollte beim Anhören kein seitenlanges Dokument vor Augen haben und ständig von Seite 13 auf Seite 67 springen müssen. Achte darauf, dass du Sprachnachrichten so einsetzt, dass kein Medienbruch stattfindet.
- Klärt mit eurem Gegenüber, ob es okay für sie*ihn ist, wenn ihr Sprachnachrichten schickt. Im Team sollten wir offen über Präferenzen sprechen (können). Frag deshalb einfach mal nach, wie dein*e Kolleg*in Sprachnachrichten findet. Vielleicht kommt heraus, dass er*sie sie auch gerne mehr nutzen würde. Vielleicht findet er*sie Sprachnachrichten aber selbst dann schrecklich, wenn sie bestimmten Regeln folgen. Auch das ist okay.
Möchtest du ein Thema für diese Kolumne vorschlagen? Schicke mir gerne eine Mail an taraneh@neuenarrative.de