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Eine Bürosituation, die Menschen im Büro tragen Masken vorm Gesicht.
Sprache der Arbeit

Warum die Arbeit kein Ort für beschönigende Sprache ist

Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug in der Welt der Neuen Arbeit. In dieser Kolumne zeigen wir, wie sie sich noch ein bisschen sinn- und verantwortungsvoller einsetzen lässt. Diesmal: Warum wir in der Zusammenarbeit auf Euphemismen verzichten sollten

Achtsam, wertschätzend, beschönigend
In der neuen Arbeitswelt ist wertschätzende Kommunikation immer wichtiger geworden. Das ist eine positive Entwicklung, und dieser Text will nicht dazu anregen, jeden Grundsatz der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg zu vergessen, noch will er einen Freifahrtschein zur Rücksichtslosigkeit ausstellen. Es kann jedoch sinnvoll sein, sich vor der Nutzung von Euphemismen zu fragen, was wir mit ihnen erreichen wollen: Möchte ich mein Gegenüber schonen, weil ich eine emotionale Reaktion befürchte? Verzerre ich mit meinen Worten die Wahrheit, weil ich denke, dass es mir Arbeit abnimmt?

Es ist verständlich, dass wir unangenehme Gefühle vermeiden wollen. Doch sie einfach mit Euphemismen zu ummanteln, ist kein sinnvoller Umgang. Wir sollten wertschätzend und direkt kommunizieren, damit unser Gegenüber die Informationen gut annehmen kann. Aber wir sollten auch bei den Fakten bleiben. Genau das ist der Grundgedanke der Gewaltfreien Kommunikation: Ich habe das Wohl der anderen Person im Blick, kommuniziere also empathisch und unterstützend, jedoch auch ehrlich und aufrichtig. Wenn wir auf Euphemismen verzichten und stattdessen auf Ehrlichkeit setzen, schaffen wir nicht nur mehr Klarheit, sondern auch mehr Vertrauen in unseren (Arbeits-)Beziehungen.

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Hinter verschlossenen Türen

Euphemia bedeutet im Griechischen „Worte von guter Bedeutung“. Es gibt verschiedene – bewusste sowie unbewusste – Beweggründe, Euphemismen zu benutzen. Oft ist es Bequemlichkeit („Mit diesen Worten schone ich mich und mein Gegenüber“), Höflichkeit („Ich möchte nicht taktlos oder schroff wirken“), Gewohnheit („Diese Redewendung nutzen wir hier schon immer“), eigener Vorteil („Sie wird ein besseres Bild von mir haben, wenn ich die Situation beschönige“), Angst vor einer emotionalen Reaktion („Wenn ich ihm die Wahrheit sage, wird er wütend / traurig“) oder Weisung von oben („Wir kommunizieren den Konflikt auf diese Weise und XY betont ihr bitte nicht“).

Oft erfordert auch die Arbeitsumgebung, dass wir Euphemismen benutzen. In Organisationen mit wenig psychologischer Sicherheit legen Kolleg*innen oder Führungskräfte es als Schwäche aus, wenn man offen kommuniziert, mit einem Projekt überfordert zu sein, statt es als „herausfordernd, aber machbar“ zu beschreiben. Aus diesem Grund beschönigen viele Menschen auch ihren Gemütszustand. Bei einer Studie gaben 60 Prozent der befragten Arbeitnehmer*innen an, dass sie glauben, ihr Arbeitgeber interessiere sich nur oberflächlich oder gar nicht für ihr seelisches Wohlbefinden.1

Folglich sagen sie im Meeting nicht, dass sie gerade in einer Trennung stecken oder ihr Kind die halbe Nacht durchgeweint hat, sondern begnügen sich mit einem oberflächlichen „Mir geht's gut“. Das muss nicht zwangsläufig problematisch sein. Manchmal möchten wir Dinge privat halten oder unsere Gefühle nicht mit allen Anwesenden teilen. Schwierig wird es, wenn wir unsere Probleme aussprechen möchten, das strukturell aber nicht möglich ist.

Der Backlash von Beschönigungen

Es kann viel Energie kosten, zurückzuhalten, dass eine Kündigung nicht „im gegenseitigen Einvernehmen“ ablief, sondern mit viel Streit und Tränen. Auch die Produktivität leidet darunter, wenn Mitarbeiter*innen den Eindruck haben, bei der Arbeit nicht über Ängste und Probleme sprechen zu können, wie eine Studie aus den USA zeigte.2

Langfristig klappt es nur selten, unangenehme Gefühle mit Euphemismen zu überdecken. Wenn ich eine andere Person beispielsweise um Feedback zu einem Projekt bitte und sie mir zunächst antwortet: „Ich finde den Ansatz ganz gut und habe noch ein, zwei Verbesserungsideen“, wird es mich frustrieren, später am Tag ein ellenlanges Dokument mit substanzieller Kritik zu lesen. Der Frust liegt dann nicht an der Kritik selbst, sondern an der vorgelagerten Beschönigung, die falsche Erwartungen geweckt hat. Die Verharmlosung schiebt die Auseinandersetzung mit dem Problem nur auf.

Eine Person hält einen kleinen Scheißhaufen in der Hand, auf dem eine Schleife steckt und reicht ihn einer anderen Person.

Durch Euphemismen entsteht also auch Ungenauigkeit, beispielsweise in der Kommunikation von Strategien, wodurch falsche Einschätzungen entstehen können („Der*die Chef*in hat doch nur gesagt, dass wir ein paar finanzielle Herausforderungen haben“ – „Nee, eigentlich stehen wir kurz vor der Insolvenz“).

Übung: Euphemismen-Wörterbuch

Mit dieser Übung könnt ihr im Team überflüssige Euphemismen identifizieren, die ihr regelmäßig nutzt.

1. Euphemismen sammeln

Als Erstes sammelt ihr gemeinsam alle Euphemismen, die euch einfallen. Versucht sie noch nicht als gut oder schlecht zu bewerten – es geht erst einmal darum, eine möglichst vollständige Liste aller Euphemismen zu bekommen, die ihr regelmäßig nutzt.

2. Übersetzungen erstellen

Nun widmet ihr euch der Spalte „Eigentliche Bedeutung“. Stellt euch vor, ihr seid Übersetzer*innen und müsstet einer*einem Nicht-Muttersprachler*in erklären, was mit den Euphemismen eigentlich gemeint ist. (Dieser Schritt darf Spaß machen – werdet kreativ und tobt euch aus!)

3. Neue Phrasen finden

Zuletzt könnt ihr noch darüber sprechen, ob ihr manche Euphemismen nicht mehr nutzen möchtet, weil sie z.B. unglaubwürdig geworden sind. Vielleicht behaltet ihr einige Formulierungen auch bei, weil sie für eure organisationale Sprache funktionieren. Oder ihr erfindet ganz neue Phrasen, die ihr stattdessen ausprobieren möchtet. Ausgefüllt sieht das dann zum Beispiel so aus:

  • Euphemismus: „Umstrukturierungsmaßnahmen“, „Freistellung“
  • Eigentliche Bedeutung: Menschen verlieren ihren Job.
  • Was wir ab jetzt sagen: „Kündigung“

Was verändert sich, wenn wir offener kommunizieren?

Unangenehme Gefühle und Situationen offen zu kommunizieren ist anfangs unbequem, hat aber viele Vorteile. In erster Linie schafft transparente Kommunikation Vertrauen. Wenn wir Probleme als solche benennen und angehen, normalisiert das die emotionalen Begleiterscheinungen. Oft nehmen wir fälschlicherweise an, die einzigen Menschen zu sein, die sich beispielsweise überfordert fühlen. Wenn wir diesen Irrglauben ablegen, schaffen wir Verbindung im Team. Außerdem sollten wir den Sorgen, Reaktionen und Emotionen unseres Gegenübers Raum geben, indem wir beispielsweise nachfragen: „Wie geht es dir damit? Wie hat sich mein Feedback für dich angefühlt? Brauchst du noch etwas?“

Zwei Personen, die ihre Masken abgelegt haben und sich umarmen.

Achtsam, wertschätzend, beschönigend

In der neuen Arbeitswelt ist wertschätzende Kommunikation immer wichtiger geworden. Das ist eine positive Entwicklung, und dieser Text will nicht dazu anregen, jeden Grundsatz der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg zu vergessen, noch will er einen Freifahrtschein zur Rücksichtslosigkeit ausstellen. Es kann jedoch sinnvoll sein, sich vor der Nutzung von Euphemismen zu fragen, was wir mit ihnen erreichen wollen: Möchte ich mein Gegenüber schonen, weil ich eine emotionale Reaktion befürchte? Verzerre ich mit meinen Worten die Wahrheit, weil ich denke, dass es mir Arbeit abnimmt?

Es ist verständlich, dass wir unangenehme Gefühle vermeiden wollen. Doch sie einfach mit Euphemismen zu ummanteln, ist kein sinnvoller Umgang. Wir sollten wertschätzend und direkt kommunizieren, damit unser Gegenüber die Informationen gut annehmen kann. Aber wir sollten auch bei den Fakten bleiben. Genau das ist der Grundgedanke der Gewaltfreien Kommunikation: Ich habe das Wohl der anderen Person im Blick, kommuniziere also empathisch und unterstützend, jedoch auch ehrlich und aufrichtig. Wenn wir auf Euphemismen verzichten und stattdessen auf Ehrlichkeit setzen, schaffen wir nicht nur mehr Klarheit, sondern auch mehr Vertrauen in unseren (Arbeits-)Beziehungen.

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