Bei jedem Projekt bindet die Karuna Sozialgenossenschaft Betroffene an zentraler Stelle ein. Das zeigt sich zum Beispiel an der TaskforceX, die obdachlosen Menschen hilft und aus Personen besteht, die selbst einmal obdachlos waren.
Im Jahr 2022 lebten etwa 50.000 Menschen in Deutschland auf der Straße, schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Für diese Menschen hat weder das wirtschaftliche noch das politische System funktioniert – und auch das soziale Sicherungsnetz hat sie nicht aufgefangen. Ein Schicksal, das prinzipiell jede*n treffen kann.
Um dagegen etwas zu unternehmen, tun sich immer wieder Menschen zusammen. Doch oft sind diese Bemühungen nicht besonders wirksam. Laut Rebecka Ambjörnsson, der Geschäftsführerin der Karuna eG, gibt es dafür einen einfachen Grund: „Viele Lösungsansätze für drängende Probleme unserer Zeit sind nicht inklusiv.“ Es gebe zahlreiche Initiativen und Vereine, die von privilegierten, also gut situierten, gebildeten, weißen Hetero-cis-Menschen mit den besten Absichten geführt werden. „Nur kommt es leider oft vor, dass die Menschen, die am härtesten betroffen sind, in die Problemlösung nicht einbezogen werden.“
Initiative im Fokus
alle InitiativenEin Beispiel dafür ist das Vorgehen des Vereins Little Home, wie Medienberichte zeigen. Der Verein hat eigenen Angaben zufolge etwa 300 Tiny Houses in Deutschland gebaut und diese Obdachlosen zur Verfügung gestellt. In Berlin aber scheiterte das Projekt. Little Home hatte Regeln aufgestellt, bei deren Verletzung der Wohnraum wieder entzogen wurde: Illegale Drogen, Gewalt, offenes Feuer und Vermüllung waren verboten. Nach einem Regelverstoß schraubte der Verein die Tür des Tiny Houses zu; die Bewohner*innen waren ausgesperrt und konnten nicht mehr an ihre Sachen. Das Vorgehen bezeichnete die Fachstelle Soziale Wohnhilfe des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg als „unverhältnismäßig und inhuman“. Der Vorsitzende von Little Home rechtfertigte das Vorgehen gegenüber dem rbb so: „Obdachlose sind manchmal wie Kinder, denen man klare Grenzen setzen muss, vor allem bei der Einhaltung von Regeln.“1
So infantilisiert und entmündigt der Verein gerade die Menschen, denen er helfen möchte. Dadurch wird das ohnehin bestehende Machtgefälle jedoch nur vertieft. In solch einer paternalistischen Haltung sieht Rebecka den eigentlichen Grund für das Scheitern einiger Projekte. Gönnerhaft und von oben herab, so funktioniere eine Zusammenarbeit selten, sagt sie.
Karuna Sozialgenossenschaft: Betroffene sind Expert*innen für ihr Problem
Doch es gibt auch andere Ansätze – beispielsweise den der Karuna Sozialgenossenschaft. Nicht zufällig trägt die Karuna Sozialgenossenschaft, deren Geschäftsführung Rebecka im Mai 2024 zusammen mit ihrer Kollegin Maren Swemke übernommen hat, denselben Namen wie der Karuna e.V. Der Verein wurde bereits 1990 gegründet und hilft Kindern wie Jugendlichen in Not. „Die Sozialgenossenschaft ist die Weiterentwicklung des Empowerments“, sagt Rebecka. Die Idee war, eine Plattform zu schaffen, auf der sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können und ihr Wissen und ihr Engagement einsetzen können.
Dort wird Kindern also nicht nur geholfen, sie werden befähigt, selbst wirksam zu werden. Zwar musste die Genossenschaft von Erwachsenen gegründet werden, weil das eine rechtliche Vorschrift ist. Aber die Jugendlichen sind als Genossenschaftsmitglieder auch Eigentümer*innen. Schon seit der Gründung wohnt der Genossenschaft also die Haltung inne, Leidtragende nicht nur als Hilfeempfänger*innen zu sehen, sondern als zentrale Akteur*innen ihres Glücks, als Problembewältiger*innen.
Karuna versteht sich als Labor für partizipative Projekte, die eine solidarische und regenerative Zukunft fördern. Die Projekte sind vielfältig und reichen von der Errichtung einiger Miniwälder in Berlin bis hin zu niedrigschwelligem Aktivismus im Rahmen des sogenannten Freiwilligen Aktivistischen Jahres. Für alle Projekte der Karuna eG sind drei Fragen zentral:
- Wer ist betroffen?
- Wie können wir diese Menschen erreichen?
- Wie können wir sie befähigen, mitzuwirken?
Projektbeispiel: TaskforceX
Eines der Themen, das den Ansatz von Karuna besonders gut verdeutlicht, ist Obdachlosigkeit. Seit 2020 beschäftigt Karuna über das Solidarische Grundeinkommen des Landes Berlin 30 ehemals obdachlose Menschen, die zusammen die TaskforceX bilden. Sie sind unter der Nummer 0157 - 80 59 78 70 erreichbar. Dort können Menschen anrufen, die kein Obdach haben oder jemanden sehen, der*die auf der Straße ist und Hilfe benötigt – solange es kein Notfall ist.2 Ein Team ist dafür werktags mit dem Auto unterwegs und in maximal 45 Minuten vor Ort. Es übernimmt zum Beispiel Fahrten zu Notunterkünften oder Ärzt*innen, bietet aber auch Kälte- sowie Hitzeschutz. Ein anderes Team ist fußläufig unterwegs, fährt an bekannten Orten vorbei. Das Team spricht aber auch unbekannte Menschen an, die möglicherweise Hilfe brauchen können.
Der wichtigste Unterschied zur Hilfe durch die Feuerwehr ist, dass die Taskforce keine Maßnahmen aufzwingt. Sie begegnet den Menschen auf der Straße auf Augenhöhe und tritt in einen Dialog mit ihnen. Weil das so gut funktioniert, ruft die Polizei inzwischen bei anstehenden Räumungen bei der Taskforce an. Die Abgesandten der Taskforce erklären den Betroffenen die Situation, helfen beim Zusammenpacken und suchen gemeinsam mit ihnen einen neuen Ort.
Weil die Taskforce zu einem guten Drittel aus Menschen besteht,3 die selbst mal obdachlos waren, kennt sie die Belange der Hilfesuchenden sehr gut. „Der Erfolg der Taskforce hat ganz viel mit Empathie und Verständnis zu tun“, sagt Rebecka. „Wer selbst in der Situation war, weiß ja, was man wann braucht und wie man angesprochen werden will. Die Lingo, also die Art zu sprechen und die Wortwahl, spielt dabei auch eine große Rolle.“ Doch auch für die Taskforce-Mitarbeiter*innen ist das eine prägende Erfahrung. „Für sie ist es ein Weg, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen“, sagt Rebecka. Deshalb werden im Rahmen des Projektes auch Aus- und Weiterbildungen gefördert. Das Modellprojekt Solidarisches Grundeinkommen Berlin wird vom Berliner Senat gefördert und läuft nun bereits seit drei Jahren, 2024 läuft es aus. Geplant ist, es zu erweitern und noch mehr Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung zu schaffen. Das hat der Senat bislang aber noch nicht bestätigt.
Unterstütze Karuna eG
Karuna eG ist gemeinnützig und nutzt Ansätze aus der Neuen Arbeitswelt, um neben der TaskforceX weitere Projekte umzusetzen. Die Genossenschaft ist regenerativ ausgerichtet: Sie verknüpft das Soziale mit dem Ökologischen. Außerdem arbeitet sie lösungsorientiert und inklusiv. Das macht die Karuna eG für uns so unterstützenswert.
Projektbasiert spenden
Über diese Website kannst du die TaskforceX und somit obdachlose Menschen unterstützen. Mit fünf Euro finanzierst du eine Mahlzeit, mit zehn Euro einen Schlafsack und mit 50 Euro eine Übernachtung im Hotel.
Genossenschaftsmitglied werden
Wenn du Karuna umfassend unterstützen möchtest, kannst du einen Genossenschaftsanteil von 500 Euro oder mehr kaufen und Miteigentümer*in werden. Dadurch erhältst du auch ein Stimmrecht. Als Mitglied entscheidest du frei, wie aktiv du dich beteiligst. Man kann als Privatperson, aber auch als Unternehmen, Stiftung, Universität oder in sonstiger Rechtsform Mitglied werden und auch mehrere Anteile zeichnen. Dein Beitrag von 500 Euro bleibt dein Eigentum. Du gestattest lediglich der Genossenschaft, damit sorgsam zu arbeiten.
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