Was kommt nach der Karriereleiter? Unsere neue Ausgabe ist da!

Viele Karriereschritte und Lebensabschnitte sind zu sehen, ein Flugzeug, das startet, eine Person mit einem Kind, eine Frau, die einen Laden öffnet.
Sprache der Arbeit

Deine Karriere ist kein Autorennen

  • Text: Laura Erler
  • Bild: Jennifer van de Sandt

Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug in der Welt der Neuen Arbeit. In dieser Kolumne zeigen wir, wie sie sich noch ein bisschen sinn- und verantwortungsvoller einsetzen lässt. Diesmal: Unsere Sprache zementiert ein falsches Bild von beruflichem Erfolg. Das müssen wir korrigieren!

Auf der Welle des Erfolgs surfen? Die Karriereleiter erklimmen? Einen Senkrechtstart hinlegen oder einen Karriereknick erleiden? Solche Metaphern sind sehr wertend und erzeugen starke Bilder im Kopf. Wir beschreiben Karrieren entweder als große Erfolge oder als Misserfolge. Ist das noch zeitgemäß?

Zwei veraltete Sprachbilder

Unsere Sprache rund um berufliche Entwicklung wird von zwei Metaphern beherrscht: Das Bild des beruflichen Aufstiegs oder der steilen Karriere bis in die obere Chefetage auf eine _Spitzen_position suggeriert, dass der berufliche Weg immer ein Weg nach oben sein muss. Die andere Metapher impliziert, dass im Berufsleben konstant ein Wettrennen stattfindet: Wir befinden uns auf der Überholspur, während andere abgehängt werden, den Anschluss verlieren oder beruflich auf der Strecke bleiben.

Es beginnt schon mit dem Wort Karriere: Es stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und ist über das Französische im 18. Jahrhundert in die deutsche Sprache gekommen. Aus dem lateinischen Substantiv carrus („Wagen“ oder „Karren“) entwickelte sich carraria für „Wagenbahn“ und „Straße“. Im Französischen wurde daraus carrière, was zunächst „Rennbahn“ oder „Laufbahn“ und später „beruflicher Werdegang“ bedeutete.

Im Deutschen versteht man unter „Karriere machen“ seit dem 20. Jahrhundert einen Berufsweg mit dem Ziel des Aufstiegs, Erfolgs oder Fortschritts. Die Bedeutungsverschiebung begann bereits in der Weimarer Republik mit der Entstehung moderner Berufsfelder in Verwaltung, Industrie und Wirtschaft, die erstmals systematische Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb von Unternehmen und Behörden ergaben. Endgültig setzte er sich aber in der Nachkriegszeit in der BRD durch, insbesondere mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre in Westdeutschland, dem damit verknüpften Versprechen von gesellschaftlichem Aufstieg sowie Managementtheorien und Erfolgsmodellen aus den USA. Der ursprüngliche Bezug zur „Rennbahn“ oder „Fahrbahn“ passt daher sehr gut zum hastigen, wettbewerbsorientierten Charakter von Karrieren.

Das Ende der Karriereleiter

Bei Wettrennen kann nur eine Person gewinnen, alle anderen sind Verlierer*innen. Diese Ellenbogen-Mentalität ist in vielen Organisationen Alltag: Jede*r versucht, schneller und besser zu sein als der*die andere, und wenn Bernd dann den Posten als Director bekommt und nicht Steffen, gibt es Missgunst und Getratsche. Müssen wir wirklich auf diese Weise auf unsere berufliche Laufbahn schauen? In der Arbeitswelt der Zukunft sollte es für Bernd und Steffen Möglichkeiten geben, sich horizontal zu entwickeln und z.B. ihre Fachexpertise auszubauen, anstatt irgendwen überholen zu müssen.

Firmen sollten solche horizontalen Karriereschritte honorieren, und es sollten sich auch Entwicklungsschritte im Gehalt niederschlagen, die nicht mit einer höheren Position im Unternehmen einhergehen.

Dann braucht es auch das Bild der Karriereleiter nicht mehr. Das traditionelle Karrieremodell, das auf linearem Fortschritt und langjähriger Betriebszugehörigkeit basiert, finden viele heute ohnehin nicht mehr erstrebenswert. Daher sollten wir auch Erfolg neu denken: Die Vorstellung, man hätte nur Erfolg, wenn man in einer Hierarchie oben steht und Menschen unter sich managt, hat ausgedient. Wir brauchen neue Karrierepfade in Organisationen und eine neue Sprache, um beruflichen Erfolg zu beschreiben.

Das negativ aufgeladene Bild vom Knick impliziert beispielsweise, dass der Berufsweg immer geradlinig sein sollte – dabei nehmen heute viele Menschen Abzweigungen, und Erfolg kann auch heißen, dass man viele Neuanfänge wagt, abbiegt, pausiert, wieder zurückgeht.

Mut zur Lücke

In diesem Zug sollten wir auch unsere abwertenden Sprachbilder in Bezug auf Karriere gleich mit über Bord werfen! Das negativ aufgeladene Bild vom Knick impliziert beispielsweise, dass der Berufsweg immer geradlinig sein sollte – dabei nehmen heute viele Menschen Abzweigungen, und Erfolg kann auch heißen, dass man viele Neuanfänge wagt, abbiegt, pausiert, wieder zurückgeht. Ein Knick abseits ausgetretener Karrierepfade ist eigentlich sogar begrüßenswert, denn er ermöglicht es, verschiedene Branchen, Tätigkeiten und Perspektiven kennenzulernen, und kann erfüllend sein. Kurzum: Ein Karriereknick ist oft kein Rückschritt, sondern ein Zeichen für Eigeninitiative, Mut und Weiterentwicklung.

Die „Lücke im Lebenslauf“ impliziert eine ungewollte Leerstelle, die daher bisher oft unterschlagen wurde. Das ändert sich glücklicherweise, und Phasen jenseits traditioneller Karriereschritte tauchen häufiger in Lebensläufen auf – unter Akademiker*innen nennt sich das dann selbstbewusst Sabbatical oder Gap Year. Das ist eine gute Entwicklung. Schließlich heißt es ja auch Lebenslauf, nicht „Harter Erwerbsarbeitslauf”. In Zeiten ohne Lohnarbeit passiert ja nicht nichts, sondern Reisen, längere Krankheit, Findungsphasen oder auch berufliche Verzweiflung sind Teil der Biografie. Also sollten wir, statt von Lücken zu sprechen, die Dinge lieber als das benennen, was sie sind: Arbeitssuche, berufliche Neuorientierung oder Lernphase.

„Babypause“ ist ein weiterer Begriff, der ein Update braucht. Das Wort Pause suggeriert, dass wir uns ausruhen, Urlaub machen und die Beine hochlegen, obwohl es harte Arbeit ist, ein Kind zu bekommen und großzuziehen. Die Zeit, in der Eltern ein Neugeborenes versorgen, ist keine Pause, sondern besteht aus 24/7 Care-Arbeit. Und diese endet auch dann nicht, wenn die Lohnarbeitspause vorbei ist. Besser ist, das neutralere Wort „Kinderbetreuungszeit“ oder den rechtlich verankerten Begriff „Elternzeit“ zu nutzen.

Schließlich heißt es ja auch Lebenslauf, nicht „Harter Erwerbsarbeitslauf”. In Zeiten ohne Lohnarbeit passiert ja nicht nichts, sondern Reisen, längere Krankheit, Findungsphasen oder auch berufliche Verzweiflung sind Teil der Biografie.

Mit der Karriere auf dem Boden bleiben

Wir sollten unser Verständnis vom beruflichen Werdegang loslösen vom Aufstiegsgedanken und uns stattdessen stärker auf unsere Lernfortschritte und persönlichen Erfolge fokussieren – und zwar über viele Jobs und ggf. auch Branchenwechsel, Umschulungen und Quereinstiege hinweg.
Wir müssen uns von der Leiter und dem Knick und vielleicht einfach direkt von dem Wort Karriere trennen und ein Bild finden, das die Weite, Komplexität und vor allem Flexibilität ausdrückt, die eine berufliche Entwicklung heute annehmen kann. Wie wäre es mit Berufsmosaik, Berufspfad, Erfolgspuzzle, …

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