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Beziehungen

Wie gestalten wir Beziehungen, in denen wir wachsen können?

Beziehungen können einen Rahmen für Wachstum und Entfaltung bieten. Doch dass das gelingt, ist kein Selbstläufer. Starke Beziehungen erfordern Arbeit. In diesem Guide zeigen wir, wie diese Arbeit aussehen kann.

Alle Menschen sind angetrieben von den gleichen Bedürfnissen. Das gilt zumindest, wenn man dem Rosenberg-Modell (GfK) folgt. Für Beziehungen spielen dabei zwei Bedürfniskomplexe eine wichtige Rolle, die auf den ersten Blick in Widerspruch zu stehen scheinen: auf der einen Seite unsere Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit. Und auf der anderen Seite nach Freiheit, Wachstum und Entfaltung. Die eine Kraft will den Status quo bewahren, die andere will sich weiterentwickeln. Es entsteht zwangsläufig Reibung.

Bedürfnisse innerhalb und außerhalb eines Kreises, die gegeneinander wirken

Dennoch ist es genau diese Mischung, die wir letztlich in allen Beziehungen suchen – auch in unseren Arbeitsbeziehungen. Erst wenn die Möglichkeit zu Wachstum bei einem gleichzeitigen Gefühl von Sicherheit gegeben ist, erleben wir Beziehungen als bereichernd und gesund. Erst wenn die andere Person uns einerseits Rückhalt bietet und uns gleichzeitig Raum zur Weiterentwicklung, zum Experimentieren lässt, wachsen wir in der Beziehung. Aber wie sieht das ganz konkret aus? Wie lässt sich ein solches Spannungsfeld aktiv gestalten?

Komplex Nummer 1: Sicherheit und Geborgenheit

Betrachten wir zunächst den ersten Komplex: Was führt in Beziehungen zu Sicherheit und Geborgenheit?

Ganz wichtig sind dafür das Erleben von Kontinuität und Verlässlichkeit. Wir müssen uns auf die andere Person verlassen können. Ein Gefühl von Sicherheit entsteht nicht, wenn ich die Beziehung als unstet erfahre, heute eine Verbindung besteht, morgen aber nicht. Wenn die andere Person heute freundlich und zugewandt ist, mich morgen aber keines Blickes würdigt. Oder wenn die Person, mit der wir uns verbunden fühlen, in einem Meeting plötzlich eine ganz andere Position einnimmt als die, die wir von ihr kennen.

Was dem Gefühl von Sicherheit oft entgegensteht, sind Vorwürfe und Schuldzuweisungen wie: „Du hast mich hängen lassen“, „Du hast mich traurig gemacht mit deinem Verhalten“, „Du bist nicht die sichere Bank, für die ich dich gehalten habe“.

In der Regel sprechen wir solche Vorwürfe aus, um damit unsere negativen Empfindungen zu reduzieren. Die negativen Gefühle verpuffen dadurch aber nicht einfach. Stattdessen tauchen sie zunächst mal bei der anderen Person auf. Im schlimmsten Fall holt sie zum Gegenangriff aus und wir enden in einer Spirale aus wütenden Vorwürfen.

Um das zu vermeiden und auf diese Weise unser Bedürfnis nach Sicherheit nicht zu gefährden, brauchen Beziehungen Selbstverantwortung. Jede Beziehung beinhaltet unangenehme Gefühle. Selbstverantwortung heißt, dass ich die volle Verantwortung für diese Gefühle übernehme, die bei mir entstehen.

Zwei Personen auf einem Wackelbrett, die versuchen, die Balance zu halten

Der Unterschied mag subtil erscheinen, der Effekt für die Beziehung ist aber gewaltig: Statt der anderen Person die Verantwortung für meine Gefühle zuzuschieben, erkenne ich an: „Auch wenn meine negativen Gefühle durch unsere Interaktion ausgelöst sind, liegt die tiefere Ursache für die Gefühle immer bei mir selbst.“

In der gewaltfreien Kommunikation (GfK) ist eine der Grundannahmen, dass Gefühle immer Signale dafür sind, dass auf der Ebene von Bedürfnissen etwas geschieht: Negative Gefühle sind somit immer Zeichen dafür, dass ein Bedürfnis aktuell nicht oder nicht ausreichend erfüllt wird. Für das, was auf dieser Ebene passiert, kann die andere Person keine Verantwortung haben. Denn auch wenn wir alle im Grunde von den gleichen Bedürfnissen angetrieben sind, ist doch die Priorisierung ganz individuell, und auch von Tag zu Tag, von Situation zu Situation verschieden.

Ganz konkret kann Selbstverantwortung in einer Beziehung bedeuten, dass ich Dinge sage wie: „Ich merke, ich bin gerade sehr frustriert. Ich hatte mir von dir gewünscht, dass du XX tust, jetzt hast du YY getan. Können wir darüber sprechen, wie wir die Situation nächstes Mal gestalten?“

Statt der anderen Person zu sagen „Du hast XX gemacht und wegen dir bin ich nun frustriert“, informiere ich sie über meine Gefühle, ohne sie ihr zuzuschieben. Der Unterschied ist subtil: Im Grunde geht es darum, eine kausale Interpretation („Du hast … gemacht und deswegen (= wegen dir) bin ich nun traurig“) aufzulösen und die beiden Informationen stattdessen einfach nebeneinander zu stellen („Du hast … gemacht und ich merke, ich bin traurig.“) Einen Schritt weiter gedacht, kann ich das Gefühl auch in Zusammenhang mit dem Bedürfnis stellen, um das es mir geht („Ich bin frustriert, weil mir Verlässlichkeit und Orientierung wichtig sind.“), also die Ursache da suchen, wo sie wirklich liegt, nämlich in mir selbst.

Auf diesem Weg entsteht in Beziehungen Nähe: Ich zeige der anderen Person meine Gefühle, lasse sie teilhaben an dem, was in mir passiert, gebe ihr aber nicht die Schuld für etwas, über das sie keine Kontrolle hat.

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Gewaltfreie Kommunikation

Begriffe lernen

Das Reiz-Reaktions-Schema durchbrechen

Es ist im Alltag nicht leicht, Schuldzuweisungen zu vermeiden. Das hat auch damit zu tun, dass wir oft im Autopiloten durch die Welt gehen und gar nicht bewusst entscheiden, wie wir reagieren. In anderen Worten: Unser Grad an Bewusstheit variiert ständig entlang eines Spektrums, und wo wir uns aktuell befinden, hat einen großen Einfluss auf unser Verhalten.

Am linken Ende des Spektrums bin ich im Autopilot, der mich durchs Leben steuert. Also in einem Modus völlig unbewussten Abspulens automatischer Reaktionen (z.B. Angriff ➡ Verteidigung). Am anderen Ende des Spektrums bin ich hellwach und reagiere bewusst auf alles, was ich wahrnehme.

Im Arbeitskontext kann es hilfreich sein, das an verschiedenen Stellen zu reflektieren:

  • Wann bin ich mit der nötigen Distanz zu mir selbst ausgestattet, um ein schwieriges Gespräch zu führen? Z.B. bestimmte Tageszeiten, bestimmte (weniger stressige) Projektphasen?
  • Kann der Konflikt mit meiner Kollegin damit zu tun haben, dass ich in unserem Gespräch sehr stark im reaktiven Modus, im Autopiloten war? Wie hätte ich in der Situation reagiert, wenn ich im Spektrum weiter rechts gewesen wäre?
  • Welche Trigger bringen mich in einen Autopiloten in Richtung Vorwurf und Schuldzuweisung und wie kann ich damit umgehen (z.B. bewusst kurz die Situation verlassen nach Trigger)?
  • Welche kleinen Übungen und Tätigkeiten (bewusste Pausen, kurze Meditationen) können mir helfen, aus dem Autopiloten rauszukommen, ehe ich ein Gespräch führe?
Das Reiz-Reaktions-Schema und der Unterschied zwischen unbewusstem Abspulen im Autopiloten und totaler Wachheit
Das Reiz-Reaktions-Schema und der Unterschied zwischen unbewusstem Abspulen im Autopiloten und totaler Wachheit

Komplex Nummer 2: Freiheit und Entfaltung

Kommen wir zum zweiten Bedürfniskomplex: Wie ermöglichen Beziehungen das Erleben von Freiheit, Wachstum und Entfaltung?

Dafür ist es zum einen hilfreich, ganz bewusst Wertschätzungsräume in Beziehungen zu öffnen, in denen wir uns regelmäßig ganz bewusst Dinge zurückmelden, die uns bereichert haben und für die wir dankbar sind. Indem wir uns gegenseitig in unserem Tun bestärken, geben wir uns Impulse, zu wachsen und uns zu entfalten.

Das können wir beispielsweise machen, indem wir uns am Ende jedes Tags, den wir zusammen verbracht haben, oder am Ende eines Workshops oder Projekts ganz bewusst drei Dinge sagen, die uns bei der anderen Person positiv aufgefallen sind und für die wir uns bedanken möchten.

In einem Team kann das auch die Form einer Wertschätzungsdusche annehmen, in der reihum alle im Team positives Feedback geben, und die Person, die diese warme Dusche abbekommen hat, im Anschluss auf das Gehörte reagieren kann.

Auch regelmäßiges wechselseitiges Feedback zahlt darauf ein, dass wir in Beziehungen wachsen. Indem wir regelmäßig unsere Beobachtungen und Einschätzungen miteinander teilen, sehen wir gemeinsam mehr und bekommen wertvolle Rückmeldungen zu Dingen, die wir ausprobiert haben. Feedback sollte dabei ehrlich und auch mal konfrontativ sein, aber auch hier ist es sinnvoll, auf Schuldzuweisungen und Bewertungen zu verzichten. Ich kann meine Beobachtungen und auch die Gefühle, die in mir entstanden sind, teilen und auch Bitten für die Zukunft formulieren. Hier kann es hilfreich sein, sich an den Schritten der GfK zu orientieren:

Eine Person schaut in eine Tasse und sieht darin ein Gesicht, das sagt: Schau in dein Inneres!

Feedback unter vier Augen nach der gewaltfreien Kommunikation

  1. Erlaubnis erbitten: Frage die andere Person, ob sie bereit für Feedback ist und wann der richtige Moment dafür ist.
  2. Situation beschreiben: Benenne zunächst, um welche Situation es geht. Beschreibe ganz konkret, was du beobachtet hast, vermeide alle wertenden, aber auch allgemeine und abstrakte Formulierungen.
  3. Gefühle benennen: Beschreibe, welche Gefühle bei dir ausgelöst wurden. Benenne sie ohne Vorwurf, Anklage oder Beschwerde. Übernimm also volle Verantwortung für deine Gefühle.
  4. Bedürfnisse und Werte: Teile der anderen Person mit, welche Bedürfnisse oder Werte von dir in dieser Situation berührt wurden. Lass sie an deiner individuellen Sicht teilhaben, ohne zu belehren oder Anspruch auf allgemeines und absolutes Recht zu erheben.
  5. Bitte aussprechen: Formuliere eine in die Zukunft gerichtete positive Bitte, so konkret und machbar wie möglich. Was geschehen ist, ist vorbei. Rückwärts gerichtete Bitten können nicht erfüllt werden. Achte bei deinen Bitten also auf eine produktive, nach vorne gerichtete Haltung.
  6. Die andere Seite hören: Bitte die andere Person, die Situation aus ihrer Sicht zu schildern. Höre dabei aufmerksam und empathisch zu.
  7. Einigung finden: Frage nach, ob die Bitte akzeptabel ist. Findet ggf. gemeinsam eine andere Strategie, die für beide Seiten gut ist.

Feedback in Beziehungen ist im besten Fall ein Geschenk, das wir nutzen sollten: Der*die Beziehungspartner*in kann uns Dinge spiegeln, die wir selbst nicht sehen. Besonders gut klappt das, wenn uns die andere Person gut kennt und das Feedback auf konkreten Beobachtungen beruht. Das macht Beziehungen zu Katalysatoren für Wachstum. In guten Beziehungen kriegen wir nicht immer das Feedback, das wir uns wünschen, aber das, was wir brauchen.

Die Balance halten

Gute Beziehungen zu gestalten, ist eine große Herausforderung. Es erfordert immer wieder Arbeit und Aufmerksamkeit. Wichtig ist, die beiden Bedürfniskomplexe aus Sicherheit und Geborgenheit auf der einen Seite und Freiheit, Wachstum und Entfaltung auf der anderen Seite immer wieder in den Blick zu nehmen.

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