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Zwei Personen beim Smalltalk, die eine hat ein Gewitter über dem Kopf
Sprache der Arbeit

„Wie geht's?“ – Gute Fragen, um Smalltalk zu vermeiden

In dieser Kolumne geht es nicht um das Kleingedruckte, sondern das Kleingesprochene. Wir untersuchen die Macht der Floskeln und Wörtchen, die in der Arbeitswelt den Unterschied zwischen konfliktschürender und konstruktiver Kommunikation ausmachen. Diesmal geht um die Begrüßungsfrage „Wie geht’s?“ Warum bringt die nur selten tiefgehende Antworten hervor? Und was für Fragen können wir stellen, wenn wir uns wirklich für die andere Person interessieren?

Wir kommen morgens ins Büro, treffen an der Kaffeemaschine eine*n Kolleg*in und spulen brav den obligatorischen Mini-Dialog ab: „Na, wie geht's?“ „Ganz gut, und dir?“ „Hm, auch ganz okay“. Kurze Stille, und ohne wirklich etwas übereinander erfahren zu haben, gehen wir über zum Tagesprogramm. Die „Wie geht’s?“-Frage ist sozialer Sprechakt, der lediglich ausgetauscht wird, um eine Verbindung zwischen zwei Sprechenden herzustellen, so ähnlich wie „Schönes Wetter heute“. „Wie geht’s?“ ist oft rein rhetorisch gemeint, wir wollen nicht wirklich herausfinden, wie die gesundheitliche und psychische Verfassung der anderen Person ist.

Wenn nämlich jemand tatsächlich antwortet: „Ach, ich bin mitten in einer depressiven Episode, und nur die Angst gefeuert zu werden, bringt mich überhaupt noch aus dem Bett.“ Dann ist das schnell zu viel Intimität für den Smalltalk-Rahmen. Eigentlich wollte der*die Fragende nur nett sein. Und weil das so ist, entscheiden wir uns beim Antworten oft für eine glättende Lüge und sagen maximal „Muss ja“, wenn wir eigentlich „Ich kann nicht mehr“ meinen. Das englische „How are you?“ ist meist noch oberflächlicher gemeint als die deutsche Variante und verlangt, dass wir einfach „Good, how are you?“ zurückspielen. Dabei sind die Fragen selbst neutral: Sie können sehr tief und ehrlich gemeint sein, aber eben auch oberflächlich und floskelig. Das hängt unter anderem davon ab, wie vertraut wir mit der Person sind.

Je entfernter die Bekanntschaft, desto inhaltsleerer ist üblicherweise auch der Gesprächsauftakt. Bei engen Vertrauten wird etwas ehrlicher gefragt und geantwortet und es kann auch tiefer in etwaige Probleme eingetaucht werden. Lässt man das „Wie geht’s“-Fragespiel hier weg, kann das sogar zu Frust führen: „Du fragst mich gar nicht, wie es mir geht?“ Das Fragen nach dem Befinden ist also irgendwie wichtig für uns als soziale Wesen, aber manchmal fällt es uns nicht leicht, zu unterscheiden, ob jemand nur höflich die Etikette beachtet, aus Gewohnheit fragt oder wirklich an einer aufrichtigen Antwort interessiert ist.

Dass es uns schlecht geht, hat keinen Platz in unserem durchorganisierten Leben und unserer auf Leistung und Selbstoptimierung ausgelegten Gesellschaft.

In Estland ist das einfacher. Dort wird nur gefragt, wie es jemandem geht, wenn man es wirklich wissen will. Und in vielen südost- und ostasiatischen Ländern wie China, Korea oder Vietnam wird zur Begrüßung gefragt, ob „man (Reis) gegessen“ habe. Der*die Fragende möchte dann tatsächlich erfahren, ob der*die Andere Hunger hat. Hier wird sich also immerhin danach erkundigt, ob eines der wichtigsten körperlichen Bedürfnisse erfüllt ist. Das ist zwar ein indirekter, aber immerhin etwas ernster gemeinter Zugang zum Befinden als unser „Wie geht's?“. Antwortet die Person übrigens Nein, wird direkt Essen aufgetischt oder zusammen ein Lokal aufgesucht.

Aber warum fällt es uns so schwer, aufrichtig nach dem Zustand der anderen Person zu fragen, und warum antworten wir nicht ehrlich? Ein Grund könnte sein, dass Krankheit und Schwäche tabuisiert sind. Dass es uns schlecht geht, hat keinen Platz in unserem durchorganisierten Leben und unserer auf Leistung und Selbstoptimierung ausgelegten Gesellschaft. Wir schleppen uns schließlich mit Erkältung oder mit Migräne ins Büro. Auch eine angeknackste seelische Gesundheit ist noch immer ein großes Tabu. Psychische Erkrankungen wurden im Laufe des 17. Jahrhunderts an den Rand der Gesellschaft geschoben und Erkrankte in Institutionen eingesperrt. Wer psychisch krank war, galt als nicht „richtig“. Dieses Stigma hält bis heute an, auch wenn sich die medizinische Sicht auf psychische Leiden verändert hat. Es hat also nur Nachteile, offen darüber zu reden. Und weil sich keiner traut, denken Menschen, denen es seelisch schlecht geht, oft, dass sie die Einzigen sind.

Zwei Personen, die sich umarmende Begrüßungsfragen stellen

Gute Alternativen zu „Wie geht’s?“

  • Wie geht’s dir auf einer Skala von 0 bis 10?
  • Was beschäftigt dich gerade in deinem Leben?
  • Wenn deine Stimmung ein Wetter wäre, welches wäre das?
  • Welcher Roman bist du heute?
  • Wie fühlst du dich aktuell?
  • Welche Farbe entspricht deiner Laune heute?
  • Wie war der letzte Monat für dich?
  • Wie hat sich dein Befinden in der letzten Zeit verändert?
  • Wer wäre aktuell derdie Regisseurin, würde dein Leben verfilmt?
  • Was sind die Highlights und Tiefpunkte in deiner momentanen Situation?
  • Wie hat sich die Situation mit … entwickelt?

Präzise und offene Fragen

Dieses Tabu muss weg. Jährlich erkranken immer mehr Menschen psychisch und indem wir das totschweigen, wird es nicht besser. Etwas mehr Offenheit scheint daher sinnvoll. Das muss ja nicht direkt zu einer frühmorgendlichen Therapiesession unter Kolleg*innen führen. Aber sich einfach nur mitzuteilen und zu wissen, dass die andere Person empathisch zuhört, kann schon sehr heilsam sein. Und wer gut nachfragt, kriegt früher die kleinen Schritte mit, wenn sich das Befinden von jemandem verschlechtert, und kann rechtzeitig unterstützen. Aber um das wahrscheinlicher zu machen, muss die richtige Frage zur Gesprächseröffnung gestellt werden.

Das muss gar nicht immer die Begrüßung sein, denn ernste Gespräche wollen wir ja nicht an der Eingangstür abhandeln. Aber nach ein bisschen „Hallöchen“ und Smalltalk über das Wetter sollten wir unseren Freund*innen und Kolleg*innen den Raum dafür öffnen, echte Emotionen loszuwerden. Dafür sollte die Frage spezifisch sein und helfen, einen safe space herzustellen. Präziser wird es etwa mit der Frage „Wie geht's dir auf einer Skala von 0 bis 10?“. Hier ist die reine Reflexantwort „Gut“ ausgeschlossen. Die befragte Person muss kurz innehalten und antwortet anschließend ehrlicher.

Effektiv sind auch offene Fragen, die dazu einladen, in sich zu gehen und zu reflektieren. Ein Beispiel ist: „Was beschäftigt dich gerade in deinem Leben?“ Die Person muss nachdenken und mindestens einen konkreten Gegenstand herauskramen. Natürlich kann die Antwort immer noch relativ allgemein ausfallen, à la „Ach, viel los auf der Arbeit“. Aber immerhin gibt es jetzt ein Thema, bei dem wir nachhaken können, zum Beispiel mit „Und wie fühlst du dich damit?“. Wenn wir schon die Vermutung haben, dass etwas im Busch sein könnte, können wir direkt mit der Nachfrage starten und die Gedanken unseres Gegenübers auf eine bestimmte Situation lenken: „Wie fühlst du dich in letzter Zeit mit diesem stressigen Projekt?“ Indem wir auf einen konkreten Fall zu sprechen kommen, signalisieren wir, dass wir letztens zugehört haben, als die Person uns eine Problemlage geschildert hat, und wir erfahren möchten, wie es damit weitergegangen ist.

Indem wir das Gegenüber auffordern, ein Bild für seinen*ihren Zustand zu finden, locken wir schließlich den kreativen emotionalen Teil in ihrem Gehirn hervor. Etwa mit „Wenn deine Stimmung ein Wetter wäre, welches wäre das?“ Auf diese Frage kann man nicht nicht emotional antworten. Je nach Vorliebe kann sie natürlich abgewandelt werden. Vielleicht heißt es dann demnächst nicht mehr „Na, wie geht’s?“, sondern „Na, welcher Roman bist du heute?“ All diese Fragen haben eines gemeinsam: Sie eröffnen ein ehrliches Gespräch, anstatt dazu zu verleiten, es nach zehn Sekunden wieder zu beenden. Und sie machen den Raum auf für einen tiefen Austausch über Zustand und Wohlbefinden der Menschen, die uns nahestehen.

Eine Person stellt eine Frage, daraufhin antwortet die andere mit einer Geschichte

Takeaways

  • Wenn wir uns erkundigen, wie es einer Person geht, sollten wir durch die Art der Frage signalisieren, dass wir die Frage ernst meinen – und nicht bloß als höflichen Sprechakt.
  • In unserer Gesellschaft sind Krankheit und Unwohlsein tabuisiert, weshalb wir behutsam danach fragen sollten.
  • Was hilft sind präzise Fragen, die Reflexantworten ausschließen, oder offene Fragen, die zur Reflexion anregen und ein Einstieg für ein tiefergehendes Gespräch sein können.
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